laut.de-Kritik

Zwischen Landjugend-Scheunenball und echter Weltklasse.

Review von

MTV Unplugged ist mittlerweile Trademark und Gradmesser für den Stellenwert von Bands und Solokünstlern weltweit geworden. Die Ehre, ein solches Konzert abliefern zu dürfen, hat nun auch Mando Diao ereilt. Ein Selbstläufer ist das gleichwohl bei weitem nicht. Neben Sternstunden von Björk oder Neil Young gab es auch schlimm substanzlose Nullnummern etwa von Ricky Martin oder Sido.

Die fünf Schwedenhappen verfehlen die Einzigartigkeit der ersten Riege knapp. Ihre Akustikshow manifestiert sich als intern wichtiger Entwicklungsschritt und Übergangsalbum. Wenn sie die extrem breitbeinigen Rocktiere rauslassen, geraten die Variationen eher ländlich konventionell. Doch wenn der Bleifuß vom Pedal huscht, entdecken die Jungs aus Borlänge mit großen Augen die eigene Sensibilität und das geschickte Händchen für zarte Zwischentöne.

Schon die Songauswahl pendelt zwischen gelungen und seltsam. Warum ein flacher Langweiler wie das Ikea-Blues-Mittelmaß "How We Walk"? Weshalb "No More Tears" in solch einem sehr konventionellen Landjugend-Scheunenball-Arrangement? Mehr als ein müdes Gähnen geht da kaum. Andererseits: Das ehemals eher gut gemeinte als superb gemachte "High Heels" entfaltet endlich sein ganzes Erotik-Potential dank weiblicher Verstärkung. Gaststar und B-Movie Göttin Juliette Lewis erweist sich hier als echter Lottogewinn für die Skandinavier. Feurige Retro-Laszivität für den Titty-Twister!

"Gloria" ist live stets eine sichere Bank. Doch auch hier verpassen die Rocker aus Borlänge die schmerzhaft greifbare Chance, dem rauen Schmachtfetzen eine neue Facette zu entlocken. Die tolle Idee mit den Breitwand-Streichern erstickt im Ego totalen Overacting-Gesangs. Schade.

Aber es geht zum Glück auch richtig Weltklasse: Mando Diao haben in diesen Tagen das Piano für sich entdeckt. Das neue Spielzeug tut ihren Liedern mehr als gut. Der durch Radio/TV fast schon platt genudelte "Hit Dance With Somebody" erstrahlt in vollem Glanz eines zurückgenommen, nuancierten Song-Gewands. Sehr laid back und dabei hochgradig intensiv gebracht. Sogar der alte Klopper "Down In The Past" funktioniert mit dem pointiert und forsch eingesetzten Klavier besser denn je.

Der zuletzt etwas vernachlässigte Mando-Evergreen "Mr Moon" balanciert erwartungsgemäß gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen Power und Empfindsamkeit. Zur Krönung entert Kinks-Boss Ray Davies für eine nette aber nicht überragende Version von "Victoria" die Bühne. Der häufige Einsatz einer E-Gitarre während des Gigs ist jedoch eine wenig charmante Mogelei und leichte Unverschämtheit. So war und ist das Unplugged-Konzept nicht gedacht, meine Herren!

Man darf gespannt sein, welche Schlüsse die Wikinger aus diesem Abend für die Zukunft ziehen. Bis dahin funktioniert die Akustik-CD allemal als überwiegend gelungenes Weihnachtspräsent für Fans und Neueinsteiger.

Trackliste

  1. 1. Long Before Rock'n'Roll
  2. 2. Sheepdog
  3. 3. Losing My Mind
  4. 4. Gloria
  5. 5. All My Senses
  6. 6. Dance With Somebody
  7. 7. High Heels
  8. 8. Down In The Past
  9. 9. How We Walk
  10. 10. No More Tears
  11. 11. Mr. Moon
  12. 12. Hail The Sunny Days
  13. 13. Victoria
  14. 14. If I Don't Live Today, Then I Might Be Here Tomorrow
  15. 15. God Knows

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19 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    Anfangs waren MD defintiv scheisse live, da gibts auch keine Diskussion. Das sie heute Live besser sind, kann durch die Erfahrung natürlich sein, dazu sag ich gar nix.

    Aber Fakt ist einfach, dass es massenhaft Bands gibt die ein UnpluggedKonzert mehr verdient hätten. Wobei ich da ganz eigen bin, ich persönlich hät auch nie "die Ärzte" auf die Bühne gelassen, mir egal wie toll und witzig die kleinen StudentenMädels die immernoch finden. Aber in meinen Augen haben die Leute, die die Unplugged Konzerte koordinieren mittlerweile eh kein so dolles händchen mehr. Ist mir auch egal wie beliebt Katy Perry oder Mando Diao sind, und mir ist auch vollkommen wurscht wieviele Menschen die Musik von Xavier Naidoo berührt. Will ich wissen wie diese Musiker unplugged klingen? Nein, warum auch? Viel lieber würde ich persönlich mal Leute wie Steely Dan, Motörhead, Buddy Guy oder meinetwegen auch Finntroll unpluggend sehen. Das wär entweder gottgleich oder richtig scheisse. Aber es wenigsten etwas was nicht total vorhersehbar wär.

  • Vor 13 Jahren

    Musikgeschmäcker und Fakten...schwierig. Was Fakt ist, ist schwer zu sagen, wenn es darum geht wer ein Unplugged verdient hat. Ich bin der Meinung, dass sie die Chance verdient und gut umgesetzt haben. Einzigartig ist beispielsweise das Setting. Macht mehr Spaß anzugucken, als ein paar Typen auf Hockern. Es scheint, als hätten Mando Diao sehr viel Arbeit in das ganze Konzert gesteckt. Die Songs sind komplett neu arrangiert, auch deshalb nicht gerade vorsehbar. Über Katy Perry und Xavier Naidoo brauchen wir hier nicht reden, verschiedene Ligen, das will ja wohl keiner anzweifeln, oder? Ich war anfangs Mando Diao Skeptiker, ist ja auch viel schicker, finde aber dass jede Band mit anständiger Musik eine Chance verdient hat. Hör auf dich an den Singles oder am Image oder an der Beliebtheit festzuklammern...

  • Vor 13 Jahren

    Wenn du mich meinst, wo klammer ich mich denn an einer Single fest? Oder an Beliebtheit? Ich hab lediglich gesagt, dass in meinen Augen MandoDiao ausser ihrer allgemeinen Beliebtheit nichts zu bieten haben. Ansonsten ist das einfach 08/15 gedudel, wie unglaublich interessant. Und wenn du dir mal meine "unpluggedWünsche"(nur meine Meinung, wie immer) anschaust, wirst du feststellen, dass diese Bands durchaus sehr beliebt sind, aber sie haben einfach darüber hinaus mehr zu bieten. Und die Möglichkeit, dass ein Unpluggedonzert von diesen Bands auch unglaublich beschissen ausfallen könnte hab ich doch auch eingeräumt.

    Nochwas, ich seh persönlich keinen Grund MandoDiao musikalisch höher einzustufen als Xavier Naidoo. Seine Musik ist wenigstens eigen, mag es auch in meinen Ohren weichgespülter Mist sein.