laut.de-Kritik

King of Bar Rumba.

Review von

1999 gelang ihm das, wovon jeder Songwriter träumt: Ein Hit für die Ewigkeit. "Bongo Bong" bleibt ein Vierteljahrhundert später ein Dauerbrenner im Radio und auf Parties. Fröhlich, rhythmisch, eingängig. Vom Text her dagegen ungewöhnlich: "Every monkey like to be in my place instead of me / Cause I'm the King of Bongo, baby / I'm the King of Bongo Bong", heißt es in einer Zeile.

Ungewöhnlich ist auch der Werdegang der Person hinter dem Erfolg. Statt sich im Rampenlicht zu sonnen, spielte Manu Chao ein paar Jahre lang mit und tauchte dann mehr oder weniger unter. Bezeichnend war ein Interview, das er laut.de 2007 zur Veröffentlichung seines dritten Soloalbums "La Radiolina" gab. Das Label hatte ins vornehme Hotel Bayerischer Hof in der Münchener Innenstadt geladen. Der Empfang fand allerdings nicht in einer der Suiten statt, in denen bei der jährlichen Sicherheitskonferenz Staatspräsidenten und Außenminister residieren. Oder Michael Jackson, an den ein Denkmal auf dem Platz davor erinnert.

Chao war angesichts der schönen Wetters kurzerhand in einen Biergarten im Englischen Garten spaziert und hatte sich an einen Tisch am Rand gesetzt. Er war so unscheinbar, dass sich die Bedienung in der folgenden Stunde kein einziges Mal bequemte, vorbeizukommen. Eine Fähigkeit, unterzutauchen, die bei seinen Reisen um die Welt von Vorteil ist. Seit den 1980er Jahren ist er unterwegs und verbreitet die Botschaft, dass wir letztlich alle gleich sind und die Unterschiede und Konflikte nicht dem Einzelnen, sondern bösen Politikern und Wirtschaftsbossen zuzuschreiben sind.

Und wie lässt sich das besser unterstreichen als mit einer Gitarre, einfacher Sprache und guter Laune, die zum Tanzen verführt? Ein Hoch auf das Leben und die Gemeinschaft, wie er im Titeltrack seines nunmehr vierten Soloalbums singt, begleitet von einem DIY-Video, das in der Bar Rumba in Barcelona entstanden ist. Jene Weltstadt, in dem der Weltbürger mit französischen und spanischen Wurzeln eine Heimat gefunden hat.

Dass seit "La Radiolina" 17 Jahre vergangen sind, hört man nicht heraus. Im Grunde genommen könnte man sagen, dass sich alles gleich anhört, von Album eins bis vier und in den vielen Projekten davor und dazwischen. Das ist nicht negativ gemeint, denn es ist "all one song", wie Neil Young sein eigenes Werk mal bezeichnet hat. Auch diesmal singt Chao auf Spanisch, Englisch, Portugiesisch, Französisch. Man merkt den Stücken an, dass sie mit wenigen rhythmischen Akkorden entstanden sind, die Chao anschließend mit Beatbox, Klangschnipseln, weiteren eingestreuten Instrumenten, weiblichem Gesang und natürlich Bongos angereichert hat. Auch hier im DIY-Verfahren, mittlerweile offenbar mit Computer statt mit Tonbändern, denn der Klang ist klarer als sonst.

Und auch lieblicher. Die räudigen Gitarren aus seiner Zeit mit Mano Negra, die er live immer noch gerne auspackt, sind hier gänzlich verschwunden. Stellenweise hat man gar den Eindruck, dass die Gipsy Kings mitgewirkt haben. Weniger deutlich ist dagegen Willie Nelson zu hören, der im countryesken "Heaven's Bad Day" im Hintergrund vor sich hingrummelt. Ganz anders die französische Sängerin Laetitia Kerfa a.k.a. Laeti, die ein Feature in "Tu Te Vas" beiträgt. Wie gewohnt haben viele Freunde und Gäste vorbeigeschaut, die alle möglichen Instrumente und Gesangsspuren eingespielt haben.

Was bleibt von dem "One Song" - tatsächlich gibt es keine Pausen zwischen den Stücken - hängen? Fröhliche Stimmung mit einer melancholischen Note, dann vor allem "São Paulo Motoboy", eine Hommage an die halsbrecherischen Kurierfahrer in der brasilianischen Metropole. "Lonely Nights", das so sanft ist, dass es als Wiegenlied durchgehen kann. Und das abschließende "Todos Tierras" das Chao mit dem Kollektiv "Playing For Change" aufgenommen hat.

Auf deren Webseite erfährt man, wie es dazu kam. "Es war ein regnerischer Tag in Barcelona, als sich zehn oder mehr Musiker unter einem großen Regenschirm versammelten, um zu jammen. Während das Playing For Change-Team filmte, bemerkten sie einen gewissen Mann, der direkt hinter der Gruppe von Musikern stand und nicht spielte, sondern nur zuhörte. Innerhalb weniger Minuten nahm er eine Gitarre in die Hand und gesellte sich zu der Gruppe, um mit ihr zu jammen. Als er zu singen begann, erkannte das Team sofort, dass es sich um den berühmten Sänger und Aktivisten Manu Chao handelte".

Da war er wieder, der unscheinbare Mann, der mit Gitarre und unermüdlichem Engagement die Welt zu einem besseren Ort macht.

Trackliste

  1. 1. Vecinos En El Mar
  2. 2. La Couleur Du Temps
  3. 3. River Why
  4. 4. Viva Tu
  5. 5. Heaven's Bad Day (feat. Willie Nelson)
  6. 6. Tu Te Vas (feat. Laeti)
  7. 7. Coraçao No Mar
  8. 8. Cuatro Calles
  9. 9. La Colilla
  10. 10. São Paulo Motoboy
  11. 11. Tom Et Lola
  12. 12. Lonely Night
  13. 13. Tantas Tierras

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3 Kommentare

  • Vor 2 Monaten

    "Bongo Bong" ist schon ein paar Jahre älter und erschien erstmals als/auf "King Of Bongo" von Chaos damaliger Gruppe Mano Negra.

  • Vor 2 Monaten

    wie immer bei Manu Chao: ein grandioses Album! Es macht Spaß, fühlt sich gut an und lädt noch dabei zum Nachdenken ein (gerade in diesen Zeiten). Ein rundes Album und demnach 5/5. Keine Überraschung bei dieser tollen Diskographie.

  • Vor 2 Monaten

    Für mich nach wie vor das beste Beispiel eines interessierten und aufgeschlossenen Weltbürgers, der zufällig auch einer dieser seltenen Musiker*innen ist, die bei allem verfolgten Geschehen und erlebten persönlichen Hoch- und Tiefpunkten nie ihren kindlich-naiven Spaß und neugierig-nassforschen Entdeckergeist beim kollektiven Musizieren zu verlieren scheinen.

    Albung geht - wie das Meiste aus seiner Solo-Diskografie völlig ungeskippt - absolut klar und hat wie alle Vorgänger schon bei Veröffentlichung bereits das Potential zum zeitlos-klassischen Stimmungsaufheller für viele (zwischen)menschliche Erlebnis- und Erfahrungssituationen mit an Board!