laut.de-Kritik
Werwölfe beißen weniger verheerend als Frontschweine.
Review von Manuel Berger"'Viktoria' ist kein Standpunkt, sondern geschichtliche Reflexion. Vor diesem Hintergrund ist es interessanter, einen Soundtrack in Abhängigkeit zu spezifischen historischen Momenten zu schreiben. Vergleicht es mit Filmen: Dort beleuchtete man beide Seiten des Zweiten Weltkriegs", erklären Marduk im Pressetext zum vierzehnten Album ihrer Karriere und begegnen damit in der Luft hängendem Nazi-Verdacht von vornherein offen. Man wünscht sich, Kollegen wie Watain würden ähnlich ernsthaft mit solchen Vorwürfen umgehen, statt Rechtfertigungen als neuerliche Provokation zu formulieren.
Tatsächlich ist die wiederholte Beschäftigung Marduks mit Krieg, insbesondere dem Zweiten Weltkrieg, wohl sogar unbedenklicher als zum Beispiel die einer Band wie Sabaton – die zwar ob ihrer Party-Seligkeit niemand unter Naziverdacht stellt, bei deren Hymnen neben an sich harmloser Faszination auch gewisse Glorifizierung für Schlacht und Panzer mitschwingt. Bei Marduk dagegen klingt Krieg niemals ruhmreich, sondern abstoßend. Es ist ein zwar kommentarloser, ungeschönter, aber eben auch nicht verherrlichender Blick auf schwarz-weiß-rote Fahnen, ähnlich wie es auch Slayer gelegentlich praktizierten. Wobei man fast etwas Sarkasmus unterstellen könnte, wenn Mortuus im Opener keift: "Our only hope is Werwolf". Heinrich Himmlers gegen Ende des Zweiten Weltkriegs gegründete Werwolf-Bewegung streifte nämlich mangels ausgebildeter Kommandanten größtenteils ziellos umher – eine ziemlich aussichtslose einzige Hoffnung also.
Lyrisch bleiben Marduk demnach bandtraditionell, musikalisch agieren sie etwas roher, punkiger als auf dem Vorgänger "Frontschwein", beißen dabei im direkten Vergleich aber etwas kraftloser. Mit dem Trio "Werwolf"/"June 44"/"Equestrian Bloodlust" beginnt "Viktoria" zwar stark. Besonders letzteres Stück offenbart die Stärken der Band. Mortuus geifert in Bestform, Morgan (Gitarre), Devo (Bass) und Fredrik (Drums) riffen absurd schnell und bleiben im Songwriting unvorhersehbar – dabei helfen geschickt platzierte Pausen.
Dass Schnelligkeit kompositorische Schwächen aber nur bedingt kaschiert, zeigt dagegen "Narva". Dessen Hauptriff müffelt nach fehlenden Ideen. "Tiger I" und "The Last Fallen" erwischt es ähnlich schlimm. Schuldlos sind daran Fredrik und Mortuus, die beide top-notch abliefern.
Trotzdem zehren Marduk insgesamt von ihrer langjährigen Erfahrung, wenn es darum geht, simple Bausteine dramaturgisch effektiv zu arrangieren. In "Narva" blitzt dieses Talent wenigstens im rock'n'rolligen Mittelteil kurz auf. Paradebeispiele sind aber der Titeltrack (Stichworte: Taktwechsel und Walzer) sowie "Silent Night". Während bei "Tiger I" das Experiment Low-Tempo eher prätentiös denn heavy klingt, geht es diesmal voll auf – was auch daran liegt, dass die Bandmitglieder gleichberechtigt teilhaben. Morgan und Fredrik bilden das Rückgrat, Devo rankt sich mit unaufdringlichen Details um das Riff und Mortuus liefert den Zuck- pardon: Bluterguss.
"Viktoria" ist sicher nicht das stärkste Marduk-Werk, doch, sieht man über manch halbgaren, zu basisch gedachten Part hinweg, für Fans allemal lohnenswert. Angenehm opulenzfrei und kurzweilig spielen sich die Schweden durch die neuen Songs, verzichten dabei im 28. Jahr ihres Bestehens zwar (verständlicherweise) auf echte Neuerungen, nicht aber auf vereinzelte, nette Sperenzchen. So schleicht sich in "Werwolf" – wohl im Hinblick auf die teils aus unerfahrenen Hitlerjungen und BDM-Mädchen gebildete, eingangs erwähnte Kampftruppe – ein Kinderchor ...
1 Kommentar mit einer Antwort
marduk haben ihrer zeit das "panzerlied" gecovert und in zines genügend gehitlert. Auch die tatsache, dass "SS marschiert im Feindesland" als " das Teufelslied" geläufig war... aber das ist natürlich nur "Beleuchtung von zwei Seiten"
ach ja, nach "opus..." aber spätestens nach "heaven shall..." hätte man sich auflösen sollen