laut.de-Kritik
Sternstunden des Mainstream-Pop.
Review von Anne NußbaumViele Köche verderben den Brei, das wusste schon Oma. Was aber, wenn die vielen Köche von einem Mastermind angeleitet werden? Wenn ein Chefkoch darüber wacht, wie viel Salz in welche Suppe kommt und ob die Kartoffeln noch etwas Rosmarin vertragen könnten?
Mark Ronson, seines Zeichens Hansdampf in allen Gassen, ist so ein Meisterkoch. Was er schon mit seinen zwei Vorgängeralben virtuos unter Beweis stellte, manifestiert sich auch auf dem Drittling: Seine "Record Collection" vereint Ronsons eigene Fähigkeiten als Produzent, Songschreiber und Musiker mit dem Talent eines guten Dutzend Künstlern aus allen Ecken. Mastermind und Köche: Mark Ronson & The Business Intl.
Der Schatzgräber wühlt tief in der Plattenkiste und fischt dabei Goldstücke aus allen Jahrzehnten heraus: Ein bisschen 50er Motown hier, ein wenig Feelgood-Surfpop dort, dazu noch eine Prise Discosound, kombiniert mit ausschweifenden Synthies und 90er Hip Hop, synkopierten Rhythmen und Breakbeats - fertig ist der Ronson'sche Produktionsmix. Genres und Epochen feiern auf dem Album in fröhlicher Einigkeit eine ausgelassene Party.
"Un, deux, trois!" Zu geschmeidig reduziertem Beat und oldschooligen Rap-Parts macht Ronson auf dem Opener klar, wie der Hase läuft. Der Mann weiß, was es braucht, um ansprechende Gute-Laune-Songs direkt ins Hirn einzupflanzen. "You life the shitty life, we live the bon bon vie"? Ist uns doch egal, solange Ronson dazu solche Soundtracks schreibt.
Retrosynthie und Hip Hop-Elemente gaben selten so ein schönes Paar ab: Auf "The Bike Song" tanzen Beach Boys-Gelassenheit, Luke Vibert-Beats und Fahrradklingel einen Ringelreih. Bei "You Gave Me Nothing" schimmert opulenter Wave durch, dem Miike Snow-Fronter Andrew Wyatt und The Pipettes-Chanteuse Rose Elinor Dougall die entsprechende gesangliche Dramatik verleihen.
Dass das stellenweise an die Scissor Sisters erinnert, ist kaum verwunderlich: Jake Shears mischt auf dem Album kräftig mit. Seine mal pathetische, mal leichtlebige Liebe zu Disco-Theatralik und Tanzbarkeit ist auch "I Want Somebody To Love Me" deutlich anzuhören. In den traurigen blauen Augen des Melancholica- und Schwulst-Experten Boy George, der die Vocals beisteuert, bricht sich das Neonlicht der Scheinwerfer, die Nummer strahlt wie ein Funke am Discokugel-behangenen Clubhimmel.
Auf dem unscharfen Bravurstück "Glass Mountain Trust" dröhnt die soulig raue Stimme D'Angelos hinter Milchglas hervor. "Introducing The Business" schnarrt finster und hart, ohne sich selbst allzu ernst zu nehmen. Ohnehin zeigt sich Ronson groß in ironischer Selbstwahrnehmung: Auf dem Titeltrack singt er Zeilen wie "I just got in from somewhere really good / They offered me the part of Bono and a speaking role".
Seine Stimme geht zwar im direkten Vergleich zu den dicken Gesangparts seiner Begleiter Simon LeBon und Wiley unter. Doch angesichts der humorvollen Autoreferenzen verzeiht man ihm das getrost: "I drive round cities in a chariot / I get preferential treatment at the Marriot / But if the truth be told, I'm naked under all these clothes".
Wunderbar scheppernde Drumbeats und ordentlich Doo-Wop-Feeling beschert "The Night Last Night". Der Männerchor in Barbershop-Tradition, ein bluesig angehauchter Bass und Dougalls schlagerhafter Harmoniegesang erwecken die gespielte Unschuld der 50er Jahre Sauberwelt zu blütenweißem Leben.
Der schon auf dem Vorgänger zelebrierten Liebe zu Instrumentalstücke bleibt Ronson treu: Auf dem lässig groovigen "Selector" und allen voran dem jammigen "Circuit Breaker" offenbart sich neben Sampletalent und Produktionsgabe seine außerordentliche Musikalität. Trashige Computersounds, legere Percussion-Einlagen, funkige Basslines, Scratches und flirrende Synthiemelodien fügt er mit solch einer Leichtigkeit zusammen, dass sich ein Instant-Hit an den nächsten reiht.
Der Goldjunge, dessen Ruf alle dicken Fische des Business in seinen bunten Ideenpool umstandslos folgen, grenzt sich mit seinem im besten Sinne eingängigen, stylischen Pop von anderen Mainstream-Vertretern ab. Die orientieren sich zwar auch an dem aktuell beliebten Schema, elektronische Elemente mit Rap zu kombinieren, bleiben dabei aber weitgehend blutleer und uninspiriert.
Nicht so Ronson: Der ambitionierte Tausendsassa produziert Gold am laufenden Band, ohne das Reißbrett bemühen zu müssen, und erschafft damit eine Sternstunde des Mainstream-Pop. Bei so viel Talent und Musikverständnis scheint nicht nur ihm, sondern auch uns die Sonne aus dem Arsch. "I only want to be in your record collection". Hat er locker geschafft.
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