laut.de-Kritik
Dumpfes Lifestyle-Abfeiern und hohle Politparolen.
Review von Florian PekingDie Modeerscheinung der Deluxeboxen beißt sich bereits seit einigen Jahren hartnäckig am deutschen Hip Hop fest. Mit seinem neuen Album "Raubtier" spielt Massiv das Thema was die Absurdität der Box-Inhalte angeht aber endgültig durch. In dem Metallkästchen findet sich neben allerlei klassischem Beiwerk eine Halskette, die eine kleine Menge Blut des Rappers enthält. Über einen Liter ließ sich der Koloss hierfür abzapfen. Alles für die Fans – oder eben für die Verkäufe.
Mit dieser aberwitzigen Idee war Massivs Kreativität für das Albumprojekt dann scheinbar aufgebraucht. Die Musik – denn auch die ist im deutschen Rap noch ein bisschen wichtig – geht in dieselbe Richtung wie die letzten Alben des Wahlberliners. Wie schon auf "Ein Mann Ein Wort 2" verzichtet er auf die bösen Kraftausdrücke. Heraus kommt Straßenrap, der auf der einen Seite extrem harmlos, auf der anderen aber auch inhaltlich ziemlich fragwürdig ist.
An Letzterem ist vor allem Massivs Vorliebe Schuld, vielen Songs einen Überbau aus seinen eigenen, vertrackten politischen Ansichten zu geben. Auf "Tyson & Ali" mischt er beispielsweise einige klare und gute Aussagen zur Flüchtlingskrise mit grotesken Lines, wie der folgenden: "Ihr verlangt, dass ich mich von den Pariser Shootern distanzier'? Bruder, distanziere du dich erst einmal von Hitler". Dazwischen rappt Muskel-Massiv von "dunkelgrauen Lederjacken", "Michael-Jordan-Hoodies" und "Silberketten". Der MC verliert sich zwischen dem dumpfen Abfeiern des eigenen Lifestyles und hohlen Politparolen und entzieht den Text so jeglicher fruchtbarer Deutung.
Ähnlich verhält es sich mit den restlichen Songs auf "Raubtier". Wo so etwas wie Gesellschaftskritik anklingen soll, macht sich Massiv mit seiner schwülstigen Art zu texten selbst einen Strich durch die Rechnung. Als Meister des Straßenkitschs erzählt er von "betonierten Herzen" ("Wir Sind Jungs Von Der Straße"), "Tränen, die durch die Narben fließen" ("Die Straße Hat Mich Nie Geliebt") und lässt wieder einmal den Mond in sein Ghetto krachen ("WDMIMGK 2"). Die dadurch erzeugten Bilder sind zwar an einigen wenigen Stellen durchaus ausdrucksstark, aber doch allesamt bekannt. Deshalb wirken die meisten Lieder wie eine blasse Variation klassischer Straßenrapthemen, ohne eine neue oder eigene Facette.
Vielleicht hat sich Massiv deshalb gleich eine ganze Garde an populären Featuregästen auf "Raubtier" geholt. Summer Cem und KC Rebell teilen ihre eigenen Erzählungen vom Ghetto, während sich Farid Bang und Kollegah auf dem Titeltrack in den Kopf einer bissigen Raubkatze denken. All das bringt zwar eine willkommene Abwechslung zu Massivs müßigem Metaphernrap, doch hilft dem Gesamteindruck der Platte nur wenig. Lediglich RAF Camora bringt auf "Bob Marley" mit Reggae-Akzenten den festgefahrenen Sound Massivs in eine gelungene neue Schiene.
Dabei ist die musikalische Untermalung stets das geheime Highlight des Albums. Für einen Großteil der Songs arbeitete Big M mit dem Produzenten Johann Sebastian Kuster zusammen, der bereits für internationale Acts wie Tech N9ne oder Ghostface Killah an den Reglern saß. Er sorgt für Instrumentals, die den emotionalen, nach vorne preschenden Rapstil des Pfälzers stimmungsvoll unterstreichen. Die drückenden Beats sind dafür verantwortlich, dass "Raubtier", trotz inhaltlicher Schwächen, hier und da Hörgenuss bietet und sogar zum Kopfnicken einlädt.
Massiv setzt auf "Raubtier" seinen Entwicklungsgang von "Ein Mann Ein Wort 2" fort. Seine Ghetto-Berichterstattung will möglichst realistisch Missstände aufdecken, verliert sich aber in pathetischen Sprachbildern. Der anderen Seite seines Repertoires, dem kraftvollen Street-Representer, fehlt die überzogene Rambo-Mentalität seiner früheren Werke, um sich abzuheben. So ist Massivs Rap, wo er nicht gerade mit schwummrigen politischen Phrasen provoziert, zusehends harmlos und langweilig. Nach zwölf Alben scheint der herzliche Pirmasenser endgültig in einer inhaltlichen Sackgasse angekommen zu sein. Dagegen hilft dann auch kein Blutabnehmen mehr.
14 Kommentare mit 21 Antworten
Die Tracklist kann man sich auch nicht durchlesen, ohne vor Fremdscham sofort im Boden zu versinken.
manback will 1 gangsta werden weril die straße ihn nie geliebt hat hehe
gruß, dein flizzy
"Der MC verliert sich zwischen dem dumpfen Abfeiern des eigenen Lifestyles und hohlen Politparolen und entzieht den Text so jeglicher fruchtbarer Deutung."
MC!!! Ja nee, is klar!
Massiv Ehrenmann, ungehört 5/5, sollte klar sein.
Musik schon schlichtgeistern für schlichtgeister. Ungehört 1/5
Sein, öh Lehbel hält wohl nicht mehr so viel von ihm. Zumindest gibts das Album schon bei Amazon Prime Music, was bei neuen Releases eher selten vorkommt
Wobei das letzte Ali As-Album auch recht schnell dort landete.
Massiv... schlecht