laut.de-Kritik

Orchestraler Bombast fürs Wüsten-Epos.

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"Lawrence Von Arabien" erzählt die Geschichte des Abenteurers, Schriftststellers und Offiziers T.E. Lawrence in einer idealisierten und etwas überhöhenden Form. In der Nachbetrachtung scheint der Streifen wie für das Kino gemacht worden zu sein. Das Epos über den "English", der in die Wüste zog, um die arabischen Stämme im ersten Weltkrieg zu einen, gehört zu den Filmen, die man nicht mehr so schnell vergisst. Entsprechend epische Aufnahmen von faszinierenden Landschaften prägen den monumentalen Schinken, in dem sich die Macher immer wieder Zeit für extrem lange Aufnahmen ließen, die der Atmosphäre des Films zuträglich waren.

"Lawrence Von Arabien" war in mehrerer Hinsicht bemerkenswert. So markierte er die Etablierung von David Lean als Hollywood-Regisseur der Extraklasse, Peter O'Toole feierte als Schauspieler und Sex-Symbol seinen Durchbruch, wie auch Omar Sharif auf internationaler Bühne, Maurice Jarre verbuchte sein erstes Engagement in der Beletage der Komponisten.

Dass die Geschichte des Streifens eine überaus glorifizierende Darstellung des T.E. Lawrence birgt? Geschenkt. Die Erzählung darf sogar gerne als Märchen durchgehen. In derart eindrucksvolle Bilder verpackt, kann man sich dem Ganzen ohnehin kaum entziehen.

All die schöne Optik der Wüste und die mystisch anmutenden Szenerien wirkten jedoch nur halb so interessant und spannend, gäbe es nicht diesen Soundtrack. Maurice Jarre, der Vater von Jean Michel, setzte dem pompösen Unterfangen die Sahnekirschenkrone auf, ohne die der Film nicht den Stellenwert besäße, den er inne hat.

Zum Job kam Jarre wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kinde. Die anvisierten Malcolm Arnold ("Die Brücke Am Kwai", "Neun Stunden Zur Ewigkeit" und William Walton ("The First Of The Few") sowie Aram Khachaturian und Benjamin Britten waren für den Score nicht zu haben. So musste sich der nahezu unbekannte Franzose binnen der lachhaften Frist von sechs Wochen ganze zwei Stunden Filmmusik aus dem Baguette bröseln.

Der Druck auf den Namenlosen war enorm, schließlich sollte zur Premiere auch die Queen anwesend sein, um den Film über den zum englischen Nationalhelden hochstilisierten Mann zu sehen. Ein Scheitern war also nicht akzeptabel. Jarre bezeichnete diese Phase im Nachhinein als "die schlimmste Zeit meines Lebens".

Man gab ihm zuerst den ungeschnittenen Film zu sehen: 40 Stunden Rohmaterial. Als er nach einer gefühlten Ewigkeit damit durch war, fragte er Regisseur David Lean und Produzent Sam Spiegel, ob er für drei Filme den Soundtrack komponieren solle oder nur für einen. Dass er die Frist einhalten konnte, verdient also höchsten Respekt. Dass er so ein Monstrum aus dem Taktstock zauberte: zum Niederknien.

Das Haupt-Thema, das sich wie ein roter Faden durch den Film zieht, klingt wahrhaft wie eine Melodie für die Ewigkeit. Wie auch bei "Doktor Schiwago" ("schnief, schnief di schneuf"), wofür Jarre ebenfalls verantwortlich zeichnete, zwirbelt der Franzose dem Hörer ein Thema ins Hirn, das dort nicht mehr raus möchte. In verschiedenen Variationen, mitunter auch nur dezent im Hintergrund, streichen die Töne am Ohr vorbei. Am besten kommt das Motiv jedoch zur Geltung, wenn das Orchester mit voller Wucht herein bricht und die Violinen schön lang gezogen die Szenerie untermalen.

Um das brutale Klima der Wüste besser musikalisch auszudrücken, verwendete Jarre zudem ein heute kaum mehr bekanntes Instrument, das Ondes Martenot. Eine Art frühe Form eines Zwitters aus Theremin und Synthesizer, mit dessen Hilfe der Musiker die flirrenden Sounds erzeugte, die zum Beispiel in "Rescue Of Gasim" zu hören sind. Wahrscheinlich ist es sogar möglich, die Stimmungen als Hörer nachzuempfinden, selbst wenn man den Film gar nicht kennt.

Heroisch nach vorne ausschreitend, melancholisch versonnen oder dem Wahnsinn nahe: Jarre findet stets die richtigen Ausdrucksformen, um der Figur 'El 'awrence' den passenden Anstrich zu verleihen.

Neben den alles dominierenden orchestralen Elementen tauchen immer dann verstärkt perkussive Einwürfe auf, wenn Jarre dem Score einen orientalischeren Touch verleiht. Der unvermeidliche Duffzack verkörpert hingegen die militärische Komponente, so zu hören in "The Voice Of The Guns", einem britischen Marsch aus der Feder des Komponisten Kenneth J. Alford.

Ebenso bemerkenswert ist, dass die Aufnahmen des London Philharmonic Orchestra mit gerade einmal drei Mikrofonen erfolgte. Dennoch gelang den Toningenieuren ein überaus differenzierter Klang, der auch leiseste Töne auf der Zither oder sanfte Percussions nicht verschluckte.

So entstand mit dem orchestralen Bombast des Maurice Jarre ein Kunstwerk, wie es danach in seiner Genialität im Film nur noch selten vollbracht wurde. Folgerichtig strich "Lawrence Von Arabien" bei zehn Nominierungen sieben Oscars ein. Einer davon ging an Jarre, der sich in seiner weiteren Karriere bis zu seinem Tode 2009 noch zwei weitere Academy Awards und vier Golden Globes verdienen sollte.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Overture
  2. 2. Main Title
  3. 3. Miracle
  4. 4. Nefud Mirage
  5. 5. Rescue Of Gasim
  6. 6. Bringing Gasim Into Camp
  7. 7. Arrival At Auda's Camp
  8. 8. Voice Of The Guns
  9. 9. In Whose Name Do You Ride?
  10. 10. Continuation Of The Miracle
  11. 11. Sun's Anvil
  12. 12. Lawrence And Body Guard
  13. 13. That Is The Desert
  14. 14. End Title

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