laut.de-Kritik
Sieht aus wie ein typischer Singer/Songwriter - und klingt auch so.
Review von Jakob RondthalerEs gibt anlässlich des neuen Albums von Max Herre Presse-Fotos, auf denen trägt der Musiker Halstuch, Hut und Bart, hat die Gitarre auf den Rücken geschnallt und wandert die Straße entlang. Doch der Freundeskreis-Gründer sieht im Jahre 2009 nicht nur aus wie ein typischer Singer/Songwriter, er klingt auch wie einer.
An die Stelle von Beats, Elektronik und Sprechgesang treten bei "Ein Geschenkter Tag" Schlagzeug, Bass, Gitarre, ein Klavier und manchmal auch eine Mundharmonika - eine klassische Folk-Instrumentierung, die auf den ersten Blick vielleicht verwundern mag, sich aber als einzig logische Besetzung für die neuen, ehrlich-authentischen Lieder Max Herres erweist.
Tatssächlich schon fast dylanesk, wie dieser im Titelsong seine Lyrik vorträgt, aus Freundeskreis-Zeiten stammen hier jedenfalls nur noch die sozialkritischen Inhalte, die nie mit erhobenem Zeigefinger, sondern stets satirisch verpackt werden. "Und Sie wollen seine Anschrift / Sie sagen: 'Bitte füllen Sie's aus' / Er nimmt sich 'nen roten Buntstift / Und malt ihnen das schönste Haus", erzählt Herre vom Besuch auf dem Arbeitsamt.
Erzählt von der schönen Idee, wie mitten im September ganz unverhofft ein geschenkter Tag aus dem Kalender fällt, und von Tagedieben, die durch die Gegend ziehen. Genauso unbändig und ungestüm poltert das Schlagzeug vor sich hin, die Gitarre schrammelt Lagerfeuer-Rhythmen und dank der Chöre im Refrain fühlt man sich vielleicht auch mal an "Sympathy For The Devil" von den Stones erinnert. Clueso, der mit Herre für einige Songs im Studio war, ist hier zu hören, und auch seinen Einfluss meint man immer wieder deutlich zu spüren.
Manch einer hätte vielleicht weniger muntere Klänge erwartet, schrieb Herre doch bereits seit fünf Jahren an dem Album - also auch während und nach der Trennung von seiner damaligen Frau Joy Denalane. Doch auch nachdenkliche und rückblickende Gedanken formuliert Herre, wie beispielsweise in "Scherben":
"Les' die Scherben von gestern auf / Und merkst, sie gehn nich mehr zusammen / [...] Vielleicht verstehen wir's irgendwann". Bei aller Sehnsucht und Wehmut pflegt der Sänger jedoch stets ein altes Prinzip, das Prinzip der Hoffnung, und sei es auch nur die winzigste. "Scherben" gibt sich musikalisch zerbrechlich, wohin gegen Songs wie "Alles Da" und "Er-Sagt-Sie-Sagt" unheimlich grooven, was sie nicht zuletzt dem Bass von Christian Diener zu verdanken haben.
"Wo Rennen Wir Hin?" thematisiert die Hektik in Beruf und Alltag, und auch an Herrn Herre ist die Wirtschaftskrise nicht spurlos vorbeigegangen. Müde Rezessions-Phrasen zitiert er jedoch auf seine Art und Weise: "Er hat die Ärmel hochgekrempelt / Bis er ohne Hemd dastand / Und nach 20 Jahren Stempeln / Gibt's den Stempel auf dem Amt."
Bei aller Ernsthaftigkeit beweist Herre aber, dass ihm sein Sinn für Humor nicht verloren gegangen ist: mit "Baby Mama Rag" gelingt dem Stuttgarter eine musikalisch anspruchsvolle und gleichzeitig witzige Hommage an den Ragtime-Stil.
Hinter "Wir Wollen Doch Einfach Nur Zusammen Sein" verbirgt sich eine Cover-Version von Udo Lindenbergs "Mädchen Aus Ostberlin", mit dem Herre bereits als Mitglied im Freundeskreis zusammenarbeitete.
"Nehm mir 'n Stift und Papier / Und schreib 'n Rhyme", beschrieb er damals im Song "Nebelschwadenbilder" seine Arbeitsweise, und so scheint auch diesmal ein Großteil der Songs entstanden zu sein. Mit Stift und Papier geschrieben, mit Gitarre und Gesang inszeniert, mehr brauchen diese Lieder eigentlich nicht.
Manchmal darf die Band auch aufspielen und zeigen, dass es allesamt versierte Musiker sind, mit denen Herre da im Studio war, die aber an anderer Stelle genug Gespür beweisen, um sich dem Song hinten anzustellen. Und obwohl sich hier Folk, Funk und Soul abwechseln, ist "Ein Geschenkter Tag" weitaus homogener geworden als Max Herres 2004 erschienenes, erstes Solo-Album.
Es scheint, als habe Herre sich frei gemacht von den Zwängen, im Hip Hop als Leitfigur fungieren und mit jedem neuen Album den nächsten Schritt vorgeben zu müssen. Er sei kein Leader oder so, er könne nur Lieder schreiben, hat Max Herre an anderer Stelle mal über sich gesagt. Er schreibt mit die besten deutschsprachigen Lieder dieses Jahres.
61 Kommentare
Sind denn alle songs so super-fresh wie die beiden ersten singles??
das album ist bestellt, bin schon so gespannt.
Ich erwarte großes
super fresh? die ersten beiden singles trifft nur ein wort: wack
Würde ja gerne mal eure Haarpracht bewundern, ihr schönen Flummis!
Der Herrenlachs ist auf Platz 6 gechartet mit seiner schmalzigen Single...da fand ich "Jeden Tag" aber weitaus besser.
Die beiden Vorabtracks fand ich auch eher mäßig, hoffe auf das ganze Album, sind ja viele geile Features dabei, vor allem auf Megaloh freue ich mich - und auf sein Album im Herbst!