laut.de-Kritik

Nicht gerade cool, aber dafür ziemlich gut.

Review von

Sind berühmte Eltern bei der eigenen künstlerischen Entfaltung eher Fluch oder Segen? Auf der einen Seite liegt der Verdacht nah, dass man als Tochter von Ethan Hawke und Uma Thurman aus einem recht soliden Genpool schöpft und die Eltern einem die Türen in Richtung Erfolg öffnen können. Andererseits hängt erfolgreichen Promi-Kindern auch oft genau das nach: Der Eindruck, sie wären überhaupt nur wegen ihrer Eltern da, wo sie sind. Und Rezensionen über die Werke von Promi-Spross beginnen häufig mit einem Absatz über die Abstammung.

Die Songs auf Maya Hawkes Debüt-Album "Blush" verweigern sich allerdings der Anforderung, irgendwem irgendwas beweisen zu müssen. Sie tröpfeln, in unaufgeregten Folk gewandet, ganz sanft auf ihre Hörer ein, ohne besonders modern oder retro zu klingen, nur um wieder cool zu wirken.

Hawke tat sich die letzten Jahre vor allem selbst als Schauspielerin hervor, beispielsweise in der Netflix-Serie "Stranger Things" oder in "Once Upon A Time In Hollywood". Zwischendurch fand sie aber auch noch die Zeit, um mit Jesse Harris, einem Freund ihres Vaters, die zwölf Songs ihres Debüts aufzunehmen. Hawke schrieb die Texte, Harris kümmerte sich um die Arrangements, und es ist nicht verwunderlich, dass "Blush" in seiner Unaufdringlichkeit häufig an Norah Jones erinnert. Harris darf sich als einer von Jones engsten Kollaborateuren bezeichnen und hat beispielsweise "Don't Know Why" für die Pianistin geschrieben. Wo Jones sich aber mehr in Richtung Jazz bewegte, klingt Hawke meistens, als habe sie ihre Inspirationen während einem Trip durch den Laurel Canyon gesammelt.

In der Schlucht in den Hollywood Hills tummelte sich in den späten 60ern und frühen 70ern die amerikanische Folk- und Soft Rock-Elite um Joni Mitchell, Carole King und Crosby, Stills und Nash. Besonders Mitchell und King scheinen in Hawkes und Harris gemeinsamer Musik durch, im teilweise leiernden Gesang und den launigen Instrumentationen der Stücke. "Generous Heart" könnte noch am ehesten von einem der frühen Jones-Alben stammen. Alles an dem Stück, die Vocals, das Schlagzeugspiel, die gezupfte Gitarre, klingt sanft und erinnert darin an den konsensfähigen Schmeichel-Pop von "Come Away With Me". Auch wenn das schön klingt, birgt es die Gefahr, schnell zu harmlos zu werden, etwa in "Bringing Me Down" oder "Goodbye Rocketship".

Der entspannte Pop-Song "By Myself" entwickelt durch das charmante E-Gitarren-Spiel noch mehr eigenen Charakter. In dem Song heißt es: "Woe is me, I'm black and blue / At least I always tell the truth." Tatsächlich wirken Hawkes meist verworrene Gedanken über Beziehungen und Liebe trotz ihrer Undurchsichtigkeit aufrichtig, was auch an der Art des zurückgenommen Vortrags liegt. Denn Hawke haucht ihre Texte immer so zart ins Mikrofon, als wäre sie um das Wohlergehen jedes Wortes besorgt.

"So Long" kommt mit etwas mehr Drive daher, verbindet Country-Sound mit Surf Rock-Riffs und bieten einen eingängigen Refrain. Mit dem leicht düsteren Einschlag kann man sich das Stück auch gut als Untermalung eines Tarantino-Films vorstellen, ebenso wie "Menace", das mit der knalligen Hook und einem eigenwilligen Gitarren-Solo überzeugt. Der rockigste Track ist aber "Animal Enough", der mit dem verzerrten Gitarren-Sound heraussticht und Lust auf weitere Rock-Ausflüge der Sängerin macht. Etwas softer, aber noch besser gelaunt wirkt "Cricket".

Das Highlight ist das schlurfende "Coverage", mit warmen Melodien und wunderbaren Dynamik-Wechseln. Im Refrain heißt es: "If I were really here / Looking at you beamin' / If I were really alive, could I / Make it through every day dreamin'?" Über treibenden Drums singt sie das mit soviel Leidenschaft, dass man nur den Hut zücken kann. Dass die Musik der 22-Jährigen nicht zeitgemäß klingt, erzeugt dazu den Eindruck, dass sie sich wirklich niemandem anbiedern möchte und einfach ihr Ding macht. Gelegentlich könnte ihr Ding aber schlicht etwas mehr Antrieb vertragen.

Trackliste

  1. 1. Generous Heart
  2. 2. So Long
  3. 3. By Myself
  4. 4. Animal Enough
  5. 5. Coverage
  6. 6. Hold The Sun
  7. 7. River Like You
  8. 8. Bringing Me Down
  9. 9. Cricket
  10. 10. Menace
  11. 11. Goodbye Rocketship
  12. 12. Mirth

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