laut.de-Kritik

Hitmaschine mit Zuckerbrot und Peitsche.

Review von

Ursprünglich ist Metalcore als perfekter Kompromiss für all jene an den Start gegangen, denen Gebrüll auf Dauer zu stumpf und das gitarrenarme Gedudel im Radio zu weichgespült war. In Reinform vereint er Geschmäcker und wechselt gekonnt zwischen Zuckerbrot und Peitsche. Das Mischverhältnis legt dann fest, in welche Schublade eine Band gesteckt wird: mehr Metalhead oder mehr Pop Punk-Kid?

Memphis May Fire weichen seit 2010 keinen Zentimeter von einer sehr ausgewogenen Melange ab. Das heißt, es scheppert zwar ordentlich im Gebälk. Doch dem Krach schmiegen sich poppige Hooks an, um alles wieder ins Lot zu bringen. Das macht Sänger Matty Mullins seit Tag eins mit seiner stimmlichen Bandbreite möglich.

"Remade In Misery" proportioniert die Zutaten auf Albumlänge wahnsinnig ausgeglichen. "The Fight Inside" als unentschlossene Autotune-Ballade mal ausgenommen, geben sich catchy Melodien und wuchtige Breakdowns durchweg die Klinke in die Hand. Urgewaltig prescht "Left For Dead" vor, zügelt sich dann genau im richtigen Moment zugunsten eingängiger Melodien. So muss es sein, und das erklärt auch, warum die Vorab-Singles "Blood & Water" und "Bleed Me Dry" so viel Spaß machen. Allesamt hitverdächtig.

Im Albumkontext offenbart das Muster allerdings Abnutzungsspuren. Schon nach wenigen Songs ist das Prinzip komplett entschlüsselt, ergo der Ablauf eines jeden Tracks vorhersehbar. Was für sich stehend perfekt funktioniert, nimmt sich sozusagen gegenseitig die Luft zum Atmen. Immerhin gibt es Songs, die sich davon etwas freischwimmen, weil sie schlicht brutal abliefern.

So wächst "Make Believe" beispielsweise über den Standard hinaus und schickt sich mit seinem hymnenhaften Chorus an, die großen Venues in Schach zu halten. Wie die meisten modernen Metalcore-Bands verzichten auch Memphis May Fire nicht ganz auf Synthies. Die fügen sich hier aber ganz prächtig ein in Songwriting und Sound. Für die druckvolle Produktion gibt's ohnehin Schulterklopfer.

Auch die mit Sprechgesang versehene Crossover-Nummer "Misery" bringt einen Funken Varianz in die schablonenhafte Mixtur. "Somebody" verhüllt sich als lupenreiner Radiorock-Song, groovt dezent vor sich hin, nur um dann noch mal richtig auszuteilen. Das hat schon Qualität und bleibt vor allem hartnäckig im Ohr haften. Überhaupt entpuppen sich die Texaner als verlässliche Metalcore-Hitmaschine.

Würde nicht jeder Breakdown an der gleichen Stelle mit ähnlicher Inszenierung auftauchen, könnten Songs wie dieser noch mehr Wirkung entfalten. Im Songwriting verstecken sich eben nur ganz wenige Überraschungen. Kurz zusammengefasst: Gleichförmig und wenig spannend, dafür aber konstant gut ausbalanciert. Ein Toast auf die einfachen Dinge!

Trackliste

  1. 1. Blood & Water
  2. 2. Bleed Me Dry
  3. 3. Somebody
  4. 4. Death Inside
  5. 5. The American Dream
  6. 6. Your Turn
  7. 7. Make Believe
  8. 8. Misery
  9. 9. Left For Dead
  10. 10. Only Human
  11. 11. The Fight Within

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