laut.de-Kritik
Macht jedem Tinnitus ernsthafte Konkurrenz.
Review von Martina SchmidWeil Herr Mense Reents seinen musikalischen Eifer mit Stella, Egoexpress und neuerdings den Goldenen Zitronen offenbar noch nicht ausreichend befriedigt sieht, braucht es nun eine neues kreatives Ventil. Und was bietet sich da mehr an als ein Soloalbum, auf dem er all jene musikalischen Hirngespinste verwirklichen kann, die im Kontext eines seiner o.g. Projekte eher fragwürdig erschienen? Eben.
Zunächst scheint der Hamburger gewundene elektronische Pfade einzuschlagen. Angefangen mit dem trippigen "This is the Way", gefolgt von dem piepsenden Instrumental "Blaue Berge", das jedem Tinnitus ernsthafte Konkurrenz machen dürfte, sich im letzten Drittel aber noch zu einem sphärisch schönen Track mausert- falls man so lange durchhält.
Das etwas obskur betitelte "Dress like an Albino" weist im Vergleich dazu schon wieder hörerfreundliche Elektro Pop-Song Strukturen auf, und hat wohl noch am ehesten das Zeug zum Floor Filler. Die Kehrtwende folgt auf dem Fuß: was wie ein ins Gefüge passendes Elektromosaik beginnt, steigert sich zu dem, was Mensch normalerweise der Kategorie "ordentlicher Rocksong" zuordnen würde ("It Didn't Matter"). Irritation: 5 Punkte.
Der Titeltrack sichert dem vielseitigen Mense Reents dann plötzlich wieder einen Platz im Knöpfchendreher-Himmel. Den er mit dem frickeligen Glanzpunkt des Albums "Minimal Tempel" weiter festigt. Und kaum befindet sich Schubladendenkers Welt wieder einigermaßen in ihren Bahnen ("ah, also doch eine Elektronik Platte..."), rockt und rotzt "Alles ist da" dazwischen und gräbt ihm wieder das Wasser ab. "Aus Freien Stücken" bildet eine unkonventionelle Fusion von analogen und digitalen Sounds, die leider nicht immer so selbstverständlich klingt, wie sie es vielleicht gerne würde.
Wahrscheinlich ist es ein unzeitgemäßer Anspruch an ein Album, so etwas wie einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu erwarten. Aber wenn es auf dieser doch ein wenig konfusen CD einen roten Faden geben sollte, dann ist er so blassrosa, dass es einige Anstrengung erfordert, ihm durch diesen Sounddschungel zu folgen.
Die Tracks für sich allein betrachtet sind interessant, frisch, schräg oder schlicht langweilig. Aber vielleicht bezeichnet genau diesen Zustand ja der Album Titel: frei zusammen gewürfelte Stücke, die gar kein zusammen hängendes Konzept haben, wollen oder brauchen.
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