laut.de-Kritik
Der Himmel ist verhangen mit dunklen Wolken.
Review von Giuliano BenassiDie Stimmung, die bei den ersten Takten dieses Albums aus den Lautsprechern dringt, ist schwer zu beschreiben. Zunächst ist da eine tiefe Stimme, begleitet von einer Akustikgitarre, bedeckt mit der Patina vergangener Tage. Plötzlich verwandelt sich der Klang, wird dicht und erinnert an Nick Cave & The Bad Seeds. Alttestamentarische Bilder von Blut und Gewalt breiten sich im Raum aus.
Doch Micah P. Hinson ist weitaus mehr als eine Kopie des eigenwilligen Australiers. In "Tell Me It Ain't So" überrascht er mit einer Klavierballade, in der Piano und Geige eine eher untergeordnete Rolle spielen – im Vordergrund steht das minimalistisch angeschlagene Schlagzeug. "When We Embraced" ist ein kurzes Zwischenstück mit Banjo, das Johnny Cash erwachen lässt, bevor "I Keep Havin' These Dreams" wieder den Kreis zum Opener schließt.
Streicher folgen der Stimme in einem Crescendo, das gut zu einem Film von David Lynch passen würde. Produzent John Congleton (Antony & The Johnsons, Modest Mouse) hebt nicht nur hier das bedrohlich Existentielle in Hinsons Stimme hervor. Er begleitet sie mit intensiven Arrangements, ohne sie zu erdrücken. Die Stilvielfalt erinnert mal an Tindersticks, mal an Lambchop, mit Prisen von Will Oldham, Bob Dylan mit The Band und dem Opernhaften von Roger Waters. Das Ergebnis ist stellenweise morbide und ziemlich melancholisch, aber nicht verzweifelt. Musik, die tröstet, aber keine Geborgenheit bietet.
Erstaunlich, dass Hinsons Organ immer interessant klingt. Ob nun vergleichsweise heiter wie in "Threw The Stone" oder soundtrackhaft wie in "Sunrise Over The Olympus Mons" mit einem Mördergitarrensound. "The Fire Came Up To My Knees" kommt mit einzelnen Gitarrennoten im Hintergrund aus, "We Won't Have To Be Lonesome" klingt stark nach Kurt Wagner. Dass das abschließende "Dyin' Alone" trotz seines sanften Klanges ein wenig versöhnliches Ende liefert, zeigt allein schon der Titel. "I'm not afraid of the suffering or the pain. I'm just afraid of dying without finding you", heißt es darin.
Erstaunlich auch, dass der Texaner bei Veröffentlichung dieses Albums gerade einmal 27 Jahre alt ist. Offenbar hat ihn das Leben gezeichnet. Doch was schlecht für ihn ist, ist gut für den Hörer. Ein derart intensives, gleichzeitig eingängiges Werk wie "And The Red Empire Orchestra" ist eine Seltenheit.
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