laut.de-Kritik

Wer sich noch in den 80ern wohlfühlt, ist hier richtig.

Review von

Roachford wurde 2010 nicht von ungefähr einer von zwei Sängern bei Mike & The Mechanics. Eine schablonenhaft feierliche Pop-Hymne wie der Titeltrack inklusive gefühlt riesigem Chor? Hat der Soul-Rock-Veteran vermutlich im One Take erledigt.

Die dazu gehörige Platte hört der Fan am Stück runter. Denn sie bietet, was man von den drei Hauptprotagonisten erwartet: Mehr Pop als Rock fürs Radio mit zwei gestandenen Sängern (Roachford und Tim Howar) sowie einer Produktion bzw. Songs, denen man selbstverständlich anhört, dass Genesis-Gitarrist Mike Rutherford die Band in den 80ern aus der Taufe hob.

Damit sind die Soundparameter abgesteckt - und Mike & The Mechanics dürften weder mit dieser noch der nächsten Platte neues Publikum hinzu gewinnen. Ein Stück wie "Wonder" hätte man vor 30 Jahren auch Bruce Hornsby zuordnen können. "Save The World" ist wiederum ein echter Roachford-Schwof, der mit mehr Bassvolumen vielleicht sogar als Club-Ballade durchgehen könnte. Die beste Ballade der Platte bleibt aber "Love Left Over".

Die Single "Don't Know What Came Over Me" steht ebenfalls stellvertretend für den Mike & The Mechanics-Sound: Etwas schnellerer, melancholisch angehauchter Poprock, der keiner Fliege etwas zu Leide tut. Sollte man zuerst gemeint haben, Tim Howar stehe stimmlich in Roachfords Schatten, tritt er aus diesem mit der schönen Popnummer "High Life" hervor. Ohne die zweifelhaften Geräusche und Rhythmuspatterns aus dem Rechner könnte das Stück auch eine moderne Folk-Singer/Songwriter-Nummer sein. Tim liefert am Mic zuvor schon bei "The Best Is Yet Tom Come" ab.

Anschließend legen Mike & The Mechanics den besten Track der Platte hin: Bei "The Letter" hört man, dass Rutherford eigentlich ein Rockgitarrist ist. Er fährt ein cooles Lick im Intro, das laufend wieder aufgenommen wird. Zuweilen kommt gar "Silent Running"-Feeling auf. Der eindringlichste Track und neben "High Life" das Highlight - trotz der teils enervierenden 80er-Synths.

Unterm Strich fällt über Albumlänge keine Komposition aus dem Rahmen. An vielen Stücken hat übrigens Johnny Hates Jazz-Sänger Clark Datchler ("Shattered Dreams") mitgeschrieben. Gegen die Vocals und Rutherfords Gitarren ist eh nie etwas zu sagen.

Schade ist nur, dass die Mechanics in der Summe stets runder und weicher klingen, als es eigentlich notwendig wäre. Sicher, dass Gitarren und Drums zumeist eher im Hintergund bzw. begleitend stattfinden, ist gewollt. Bei ihrer Musik geht es schließlich nicht um Druck.

Trotzdem hätte man sich manchen unspektakulären und gesichtslosen Percussion/Drum-Sound aus dem Sequenzer sparen können (exemplarisch "Are You Ready?" und "The Best Is Yet Tom Come"). In diesem Bereich sind die Mechanics zu schwachbrüstig aufgestellt. Dabei könnte man gerade hier mit wenig Aufwand Interessanteres heraus holen.

Dennoch: Vom viel zu dick aufgetragenen Titeltrack abgesehen, hat man bei genauerem Hinhören eine musikalisch amtliche Mainstream-Platte gehört. Was dieser Band fehlt, sind weder trendy Experimente noch stilistische Weiterentwicklungen. Vielmehr bräuchte sie endlich wieder einen richtig veritablen Pophit.

Denn man sollte zwar nicht dauernd auf den ollen Kamellen rumhauen, aber Pop-Gassenhauer wie "Silent Running" und "All I Need Is A Miracle", die nun schon über 30 Jahre auf dem Buckel haben - deren Refrainhooks hat man noch immer auf den Lippen. Ein Track wie "The Letter" zeigt, dass Mike & The Mechanics dafür eigentlich nach wie vor das Potenzial hätten.

Trackliste

  1. 1. Let Me Fly
  2. 2. Are You Ready?
  3. 3. Wonder
  4. 4. The Best Is Yet to Come
  5. 5. Save The World
  6. 6. Don't Know What Came Over Me
  7. 7. High Life
  8. 8. The Letter
  9. 9. Not Out of Love
  10. 10. Love Left Over
  11. 11. I'll Be There For You
  12. 12. Save My Soul

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