laut.de-Kritik
Der schwarzmetallische Vulkanausbruch des Jahres.
Review von Alex KlugViel könnte man schwadronieren über die Kälte des Nordens, anmutig gespiegelt von diesen pechschwarzen Riffs. Doch 2019 ist Black Metal gesellschaftstauglicher, entmythisierter und demaskierter denn je – klar, denn früher war ja auch alles besser. Szene-Fakt ist: Schweden und Norwegen schlafen, Polen und Island brodeln. Und so hat sich – wie einst im norwegischen Bergen – in den vergangenen Jahren eine Szene in Reykjavík herauskristallisiert, an deren Spitze 2019 dick und fett das Emblem Misþyrming prangt. Denn eines sei in Stein gemeißelt: Das Zweitwerk "Algleymi" ist der vertonte Vulkanausbruch des Jahres.
Bereits ein Jahr nach dem geschätzten Underground-Debüt "Söngvar elds og óreiðu" kloppte die Gruppe um den damals erst 22-jährigen Bandkopf D.G. "Algleymi" ein, stampfte die Aufnahmen dann aber zugunsten eines kostenintensiveren Tonstudioaufenthalts wieder ein. Den isländischen Feen sei Dank: Es hat sich gelohnt. In 46 Minuten spielen sich Misþyrming einmal quer über die Vulkaninsel, passieren luftige Höhen genauso mühelos wie pfeilschnelle Gewitterböen und dreckige Midtempi-Landschaften.
Die Muse trieft aus allen Poren, den Kompositionen wohnt derselbe jugendliche Eifer inne, der einst Werke wie "In The Nightside Eclipse", "Bergtatt" oder "De Mysteriis Dom Sathanas" hervorgebracht hat. Natürlich nicht ohne entsprechende Begleiterscheinungen: Statt mit Messer und Feuerzeug zur Tat zu schreiten, entzündet D.G. lieber mentale Leuchtfeuer. 2019 schimpft man in Interviews und Reddit-Q&As(!) bevorzugt auf "social justice warriors" sowie die die Szene infiltrierende "vegan-no borders-feminist community". Einen bisschen wie ein kleiner böser Bruder von Insta-Influencer Nergal also. Aber wenn's das nur sein soll.
Zum Thema: Tatsächlich fahren Misþyrming auf "Algleymi" einen Kurs, auf der sie manchen enttäuschten Behemoth-Fan abholen. In Kompositionen wie "Ísland, Steingelda Krummaskuð" verbindet D.G. Nergal-typische Intonation mit Stampferbeats und melodischen Naglfar-Momenten. Um ein tausendfaches dynamischer als der unmittelbare Vorgänger kommt die Platte daher, mischt Blastbeats teils ganz dezent bei und mündet hie und da in behutsame Ambient-Industrial-Parts mit folkigem "Auld Lang Syne"-Touch ("Hælið"). Das kennen wir dann allenfalls eher von den deutschen Nagelfar kennt. Oder besser noch: Von Thorns.
Immer dabei, immer zur Stelle, um dem Sound den nötigen Stempel der Eigenständigkeit aufzudrücken: Die markanten bitterkalten Rauschegitarren des Debütalbums. Gerade der Titeltrack lebt von verhallter Harmoniearbeit, tausend Fjorde weit entfernt von der einheitlichen Post-Black-Metal-Tütensuppe. Vielmehr ein für die Band unverzichtbares Charakteristikum, das zwar auch schon "Söngvar elds og óreiðu" veredelte, es dafür dynamisch aber auch deutlich beschränkte. "Algleymi" hingegen: Spagat zwischen Tradition und Innovation. Volle Durchschlagskraft, volles Hörvergnügen, volle Punktzahl.
Und wenn man dann dank jahrelanger Gastspiele beim Roadburn auch noch ganz genau weiß, dass Misþyrming diesen Sound im Live-Kontext eins zu eins reproduzieren, dann, ja, dann hat man plötzlich sogar bei 30 Grad im Schatten richtig viel Spaß an ordentlichem, handgemachtem Black Metal.
5 Kommentare mit 7 Antworten
Der Trommler hat ein mieses timing.
uff. Kennst du Bathory? ^^
Danke für den Kommentar, das ist mir leider auch direkt aufgefallen. Die Songs sind gut, aber das Schlagzeug holpert fürchterlich. Dann doch lieber The Great Old Ones.
Schnaaaarch.
Wenn BM, dann doch eher diese Richtung. Ist auchsauber eingetrommelt und bemüht sich um ne gewisse Varianz:
https://www.youtube.com/watch?v=ciDZw2_JXrg
Das ist echt gut, danke für den Link!
Die Spielfreude ist einfach unglaublich und ich finde das Album ganz großartig.
Bin schon mal gespannt wie es im September live rüber kommt.
Den Sound find ich gerade noch okay, aber die Vocals gehen gar nicht.
was genau stört dich an den Vocals?
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Bevor ich mich um Kopf und Kragen argumentiere, hab ich die vorherige Antwort gelöscht.
Ich kann es nicht an Details festmachen und es ist selbstredend subjektiv, aber auch nach mehrmaligem Hören, werde ich mit den Vocals in Verbindung mit dem Sound nicht warm. Danke der Nachfrage, ich wünschte ich könnte eine Antwort mit mehr Substanz liefern...
schimpft man in Interviews und Reddit-Q&As(!) bevorzugt auf "social justice warriors" sowie die die Szene infiltrierende "vegan-no borders-feminist community"
full support!!! o/ o/ o/