laut.de-Kritik
Altbewährte Kompositions-"Genialität" und textliche Höhenflüge
Review von Rainer HenzeEine neue Modern-Talking-Platte sorgt doch tatsächlich auch heute in den 00ern noch für Diskussionsstoff und offenbart Einblicke in das Innenleben einer Musikredaktion: Soll man "das Ding" besprechen oder einfach ignorieren? Der Klick-geile Mag-Manager sieht sich einer in kollektiver Verweigerungshaltung erstarrten Redaktion gegenüber. Und bleibt auf der CD sitzen. Gut, dann eben selber machen...
Also, was tun? Eine Modern-Talking-CD zu verreissen ist ungefähr so originell, wie Bayern München nicht zu mögen. Und man macht sich viele Feinde. Also die Sache einfach umdrehen, sich in Trash-Begeisterung ergehen und das Ganze "kultig" finden? Nein und nochmals nein. Dagegen steht noch immer die Parole "Kein Applaus für Scheisse".
Aber - bevor wir hier vorschnell zu einem Urteil kommen, muss ich sagen: JA! Ich habe sie mir angehört, von vorne nach hinten, alle 19 (!) Songs durch. Und: Ich lebe noch (möchte gesundheitliche Spätschäden aber an dieser Stelle nicht ausschliessen).
Also: 19mal Modern Talking in altbewährter Kompositions-Genialität nach dem Muster: Intro - Strophe 1 - Chorus (Normal), Chorus (Eier ab) - Strophe 2 - Chori wie gehabt - Abrupter Schluss. Dazu dumpft ein markerschütterndes Eins-Zwei-Drei-Vier-Vierteltakt Bass-Drum Metronom durch sämtliche der 19 Lieder, alle in gleicher Tonart, gleiche Harmonien. Und ich erinnere mich, wie wir damals in den wilden 80ern in der sechsten Klasse einen Riesenspass hatten, alle Modern Talking Songs mit miesen Tape-Rekordern an-, in- und übereinanderzuschneiden und (fast) keinen Unterschied zu hören. Schon damals waren wir zu intellektuell...
Und so schicken uns Bohlen und Anders auf eine Reise durch das Drachenjahr 2000, stampfend wie der legendäre Elefant im Porzellanladen. Und so heisst auch das erste Lied "China In Your Eyes" - "Porzellan in deinen Augen" - aua!... oder hat sie ganz China in den Augen oder etwa einfach Schlitzaugen? Wir stampfen über Traummädchen, verlorene Lieben, 680-Mark Liebhaber ohne Gesicht, Namen oder Telefonnummer, durch den Pariser Regen und fliegen schliesslich zum Mond. Hui! Nebenbei lesen wir mit, im Hochglanz CD Booklet, in dem uns auf jeder Seite die zwei Supernasen entgegengrinsen und enttäuscht legen wir es nach der Hälfte weg, denn die andere Hälfte fehlt. Wo bitte sind die restlichen Texte?
Auf jeden Fall machen sie ihre Sache gut. Anders trällert als wäre er nie beim Frisör gewesen (achtet mal darauf, wie er "heart" ausspricht - zuckersüß!) und Bohlen hat die besten 19 seiner dreimillionen- siebenhundertdreiundfünfzigtausendachthundert- vierundzwanzig Songs, die er in den letzten zwölf Monaten auf seiner Heimorgel erdacht hat, nach detaillierter Feinanalyse ausgesucht und zufrieden auf CD pressen lassen.
Es bleibt dem Hörer nichts anderes übrig als - frei nach der Nibelungensage - in Drachenblut zu baden und zu hoffen, dass ihn dies gegen "2000 - Year Of The Dragon" unverwundbar macht.
3 Kommentare
Nun also zu Modern Talking kann ich nur sagen, wahnsinnig genial... Mit derselben Tour 25Jahre erfolg zu haben ist wahnsinn. Das muss dem Dieter erst mal jemand nachmachen. Mit Thomas hat er auch genau die richtige Stimme für seinen Sound...Das Schema ist zwar immer dasselbe, aber der Erfolg auch..
Da tanzt aber wer aus der Reihe...
dieter bohlen ist ein pimp