laut.de-Kritik
Vom Bordstein in die Gucci-Boutique.
Review von Dani FrommFünfzehn Minuten Ruhm prophezeite Kollege Max Brandl dem Mann, der als Deutschraps Hype des Jahres 2010 auf der Bildfläche erschien. Höchstens. Ein Blick auf den Kalender verrät: Wir schreiben anno 2012, und MoneyBoy ist immer noch da. Wie um Himmels Willen das passieren konnte, weiß zwar kein Mensch. Verschiedene Grundsätze hat der Wiener aber ganz offensichtlich verstanden und verinnerlicht:
Ohne Fleiß kein Preis.
MoneyBoy, das dürfte auch der überzeugteste Verächter seiner ... ähem ... Kunst schwer leugnen, präsentiert sich umtriebig as fuck. Kaum ein Tag vergeht, an dem er keinen neuen Track, kein neues Video, kein neues Mixtape oder keine Fotos von einer noch so bescheuerten Aktion - ich sag' nur Gesichtstattoo - unters Volk streut.
So bleibt man im Gespräch - und in Übung. Die gewonnene Routine merkt man insbesondere seinen Rap-Parts an. Die fallen nämlich lange nicht mehr so unterirdisch aus wie noch zu "Dreh Den Swag Auf"-Zeiten. Ein A-Capella wie "Battle Rap" muss man erst einmal raushauen. Ohne Beat im Rücken sehen auch ganz andere ganz alt aus.
Feature dich selbst wie die Hölle.
Viel arbeiten alleine genügt nicht. Man muss schon dafür sorgen, dass es die Leute dann auch mitbekommen. MoneyBoy rührt seine Werbetrommel zweifellos wie ein Weltmeister, wirft mit Links und Tweets um sich wie das Kölner Dreigestirn mit Kamelle. Um dem zu entgehen, müsste man schon unter einem Stein leben.
Fürchte dich nicht.
Hemmungen, Schamgrenzen, Angst, sich zum Horst zu machen: allesamt Fremdwörter im MoneyBoyschen Universum. Er konnte nicht rappen, tat es trotzdem. So lange, bis es inzwischen sogar einigermaßen geht. Er besitzt keinerlei Gesangstalent. Na, und? "Früher war ich broke, heute koch' ich das Yayo", heult er in einer Weise unbekümmert in die Runde, dass man im Grunde ehrfürchtig staunen muss.
Die Unverfrorenheit, mit der er Dilettantismus auf dem Silbertablett kredenzt: schon wieder cool. Polarisieren oder untergehen, das ist hier die Frage - die MoneyBoy für sich eindeutig beantwortet hat. Das führt gleich zur nächsten Regel des Geschäfts:
Auch schlechte Presse ist gute Presse.
Wenn das nur endlich jeder raffen würde! Während andere - oft gerade die Kollegen, die gerne großzügig austeilen - schon losheulen, kaum dass man sie nicht ununterbrochen hofiert, sie und ihre Ergüsse mit Samthandschuhen anfasst und über den grünen Klee lobt, steht MoneyBoy wie ein Fels im Hagel der Kritik.
"Egal ob ihr's feiert, gut findet, witzig findet oder schlecht. :) Ich glaub, es ist sehr interessantes Werk geworden, das gut für ne Review geeignet ist", schrieb The Real MoneyBoy erst heute morgen. Mit "interessant" trifft er den Nagel auf den Kopf. Die Hauptdirektive hat er auf jeden Fall befolgt:
Du sollst nicht langweilen.
Für Langeweile lässt "Crack Fürs Volk" nämlich gar keinen Raum. Den nehmen voll und ganz Rat- und Fassungslosigkeit ein, in denen das Mixtape zurück lässt. "Crack Fürs Volk" wirkt: Nach dem Konsum fühlen sich die Überreste des Hirns an wie grüne Götterspeise.
Über einer tauglichen Beatauswahl, für die er getrost per Shouout seinen Dank in die Runde spucken darf, verbreitet sich MoneyBoy - der Titel lässt es ahnen - über seine angestammten Themenfelder: "vom Bordstein in die Gucci-Boutique". Es geht um Drogen, Herstellung, Handel und Konsum, ums Kohlemachen und -ausgeben, darum, möglichst oft einen wegzustecken und nebenbei noch zwei, drei Bullen abzuknallen. "Crack Kokain Musik" und "Porno Musik", das wars. Hallelujah.
Warum man bei Klamotten, Schuhen, Uhren, Autos Wert auf die Marke legt, sich beim Essen jedoch mit Fraß diverser Fastfood-Ketten zufrieden gibt, werde ich allerdings so wenig verstehen wie die wiederholt ausgebreitete Fantasie vom Poppen beliebiger williger Hühner auf diversen Klos (!). Vielleicht ist selbst das üppigste Budget einfach irgendwo erschöpft und es reicht nicht mehr für ordentliches Futter und ein nobles Hotelzimmer.
Möglicherweise gilt der Quickie auf der öffentlichen Bedürfnisanstalt aber auch als Demonstration besonders ausgeprägter Potenz, was weiß ich schon? Ich habe wahrlich genug Scheißhäuser in genügend vielen Clubs gesehen, um als echte Leistung zu würdigen, wenn jemand ausgerechnet dort einen hoch bekommt. Trotzdem bleiben seltsame Brüche im Bild des reichen Emporkömmlings auf Freeways Spuren, für den Geld keine Rolle spielt.
"Zeig mir deine Boobies, zeig mir deinen Booty." MoneyBoys erotische Phantasien fallen bestenfalls pubertär aus. So stellen sich kleine Jungs wohl tatsächlich ein erfülltes Sexleben vor: ein schneller Fick auf dem Hauptplatz, mit einem Gina Lisa Lohfink-Look-Alike, dazu ein pappiger Burger. Mahlzeit. "Zeig mir deinen Tanga. Oh, du bist ja schwanger." Upps! Na, auch egal. Hauptsache, nackig.
Dachte ich bei "Back Im Geschäft" noch, MoneyBoy habe sich von der unfreiwilligen Komik seiner ersten Auftritte inzwischen etwas entfernt, erodiert er diesen Eindruck gleich mit "Yayo": Dieser ... Gesang ... das kann doch einfach niemandes Ernst sein. Doch MoneyBoy zieht das durch. Er singt und singt und kanns nicht, und es ist ihm herzlich egal.
Beim Rap sieht die Sache inzwischen weniger eindeutig aus: Man muss den Unsinn, den er erzählt, ausblenden. Man muss über die erbärmlich simplen Endreim-Strukturen milde hinwegsehen. Man sollte ignorieren, dass die meisten seiner Reime nur mit viel Wohlwollen überhaupt als solche durchgehen. Nein, "bitch" reimt sich auch dann noch nicht auf "dick", wenn sie draufsitzt!
Gelingt all das, lässt sich beinahe so etwas wie Flow detektieren, und man stößt sogar auf zwei, drei wirklich witzige Wortspiele. So oder so erscheint MoneyBoys Auftreten derart grotesk, dass man spätestens beim zweiten Durchlauf kaum umhin kommt, es ... irgendwie lustig zu finden.
"Ich Hab Was Aus Mir Gemacht", lautet MoneyBoys Resümee. Fraglos. Nur was? Bitte! Ich möchte immer noch glauben, dass es sich bei MoneyBoy in seiner Gesamtheit um ein soziologisches Experiment handelt. Ein gelungenes, denn: Kopfschütteln ist ja irgendwie auch Kopfnicken. Nur in die andere Richtung.
51 Kommentare
"Nein, "bitch" reimt sich auch dann noch nicht auf "dick", wenn sie draufsitzt!"
Geile Review!
Krassester Spast ever, von Sekunde eins an unlustig und bekackt.
ich persönlich empfehle und propagiere "seroquel fürs volk" sowohl das album des geilen smoke m als auch tatsächlich seroquel fürs volk
@DeineMudda (« @Der_Dude (« Tja manche Menschen gehn zum lachen in den Keller. Bemitleidenswert. »):
Mal ernsthaft: Die Person Money Boy ist ein Witz, den man sich einmal erzählt, lacht und dann vergisst. Der Typ hat seine Halbwertzeit lange überschritten und er vergewaltigt die deutsche Sprache! »):
Klar, aber dann lacht man halt einmal richtig heftig. Das hat Rockernille aber verpasst und sabbelt stattdessen was von Backstreet Boys^^.
boah leude meddl leude