laut.de-Kritik
Ein Live-Album wie ein Klassentreffen.
Review von Jeremias HeppelerEs gibt ja einige ungeschriebene Gesetze der erfolgreichen Live-CD: Nimm einen bis zum Anschlag mit Hardcore-Fans gefüllten Schuppen. Spiel' ausschließlich deine Hits. Hol' dir eventuell noch ein Orchester mit auf die Bühne. Heiz' dem Publikum richtig ein. Lass' sie so laut mitsingen und mitklatschen, wie es nur irgend geht. Schließlich soll die einzigartige Atmosphäre deines Livegigs bis nach Hause reichen.
Dieser einfache Regelkatalog hat dazu geführt, dass jede Live-Scheibe genau genommen als erweitertes Best-Of daher kommt, inklusive super verzückten Publikumssounds. Langweilig! Die Monsters Of Liedermaching (über diesen Bandnamen werde ich wohl nie hinweg kommen!) führen dieses System mit "Wiedersehen Macht Freude" ad absurdum.
Auf der CD-Hülle finden sich zunächst keinerlei Hinweise auf eine live eingespielte Platte. Erst wenn der Auftakt "Klingel Am Balkon" dahertönt und im Hintergrund das Publikum pfeift, wird klar, dass die Monsters ihre nunmehr siebte Platte auf Tour eingespielt haben.
Allerdings, der nächste Schritt der Erkenntnis, spielt die Band hier keinesfalls ein altbekanntes Set, sondern eine Armada neuer Songs. Das ist insofern cool, weil "Wiedersehen Macht Freude" so zu einem Hybriden aus Studio- und Livealbum mutiert. Ein Testlauf am lebenden Patienten einerseits, eine Art One-Take ohne Schnitt andererseits.
Diese Art der Produktion hat etwas Rohes und Spannendes, das Versagen ist impliziert, Brüche und Fehler lassen sich kaum vermeiden und auch kaum durch überschwängliche Euphorie seitens des Publikums übermalen. Welche Crowd hört schon gerne neue Songs? Kurz: Wer ein solches Projekt angeht, der muss abliefern.
Jetzt definieren sich die Monsters Of Liedermaching seit jeher als Liveband. Eine Formation also, die natürlich ab und an Songs im Studio einspielt, diese aber bereits mit Blick auf die nächsten Konzerte komponiert. Dieses Mitdenken der Aufführsituation zieht sich natürlich durch das Songwriting der neuen Platte. Die Songstrukturen lassen überall ein wenig Platz für Anknüpfungspunkte, Soli, Witze, Loops, Mitsing- und Lalalala-Momente.
Der angesprochene Opener "Klingel Am Balkon" beginnt mit exotischen Latino-Rhythmen, gefolgt von Ahaaaaaa-Chören und einem einem derart augenzwinkernden Text, dass man im Anschluss erst einmal seine Lider entspannen muss: "Ein ganz normales Leben, einfach und brutal, und wenn auch aus dem letzten Loch, Herrgott, ich pfeif': egal! " Im Refrain wird dann natürlich stilecht gepfiffen, bis die Lippen bluten.
In diesen Schemata tanzen die Monsters Of Liedermaching stilsicher und erbarmungslos herum, sie machen die Band zu einem Streitfall, den man als Musikhörer wohl nur lieben oder eben hassen kann.
Ein weiteres Beispiel gefällig? "Cola Korn" macht zunächst den Anschein einer zärtlichen Ballade, entwickelt sich dann aber zur Mitgröl-Hymne an das vermeintliche Kultgetränk: "Cola Korn, eins zu eins gemischt, aufgetischt, weggezischt und dann von vorn."
Ein Orchester hat sich das Sextett freilich nicht geleistet, das ersetzt der Einsatz von Chören und Kleinstinstrumenten. Es fiept und streicht und trommelt und pfeift und rasselt und tönt aus allen Richtungen. Das ist kurzweilig und macht Spaß. Echter melodiöser Tiefgang bleibt aber aus. Schon klar, diesen zu erreichen war zu keinem Zeitpunkt das Ziel der Monsters Of Liedermaching. Trotzdem entpuppt sich die ein oder andere Songidee bei genauem Hinhören als falsche, unausgegorene Soundfährte.
Im Zentrum steht die Gitarrenarbeit: Die Monsters zupfen und zappeln countrymäßig und nicht selten mit Highspeed über die Saiten, so dass man als Hörer stellenweise kaum noch folgen kann oder will. Diese Ausbrüche sind aber meist nur von kurzer Dauer: Im Großen und Ganzen verfolgt die Scheibe klassische Singer/Songwriter-Parameter und eröffnet damit Raum für mehr oder weniger spaßige Geschichten.
"42" beginnt als Country-Vollgas-Nummer, zerfleddert dann in unterschiedliche Richtungen und klingt wie ein alter Hit der Abstürzenden Brieftauben, gepaart mit Nerdhumor und Douglas Adams-Zitaten oder Nicht-Zitaten. "Best Western" thematisiert dann auch noch direkt das Cowboy-Leben, das die vorhergegangenen Songs nur auf musikalischer Ebene angedeutet haben.
"Pissen Gehn" zitiert ein wenig Oasis und ein bisschen Bob Dylan und besingt einen gemeinsamen Klogang: "Komm, wir gehen zu zweit, sparen Zeit, du im Sitzen, ich im Stehen. Lass uns gemeinsam pissen gehen." Nennt mich humorlos, aber diese Wochenshow-Witze entlockten mir leider kein Schmunzeln. Trotzdem transportiert die Platte die Energie der Aufnahme, dieses typische Monsters-Gejamme, diese Lagerfeuer-Schullandheim-Energie, punktgenau auf die Platte.
Am Ende lassen sich Konzeption und Stimmung der Scheibe am ehesten mit dem Unpluggend-Album der Ärzte vergleichen. Die Instrumente, die Abwechslung und der Unterhaltungsfaktor zielen in eine ähnliche Richtung, und man kann den Monsters wohl wirklich nur als Kompliment vor die Füße klatschen, dass sie sich vor BelaFarinRod in Sachen Stimmung auf dieser Scheibe nicht verstecken müssen, dem eingeschworenen Publikum sei Dank.
Gerade textlich gerät "Wiedersehen Macht Freude" aber stellenweise doch arg dünn und albern ("Ich kreise auf dem Meer daher, da treffe ich 'nen Hai, er sagt, er will mich fressen, ich hab' was Besseres dabei: Salalalalalatblatt!") und vermischt den Tiefgang des frühen FunPunk mit der Harmlosigkeit von Rolf Zuckowski und dem Humor von Otto-Songs. Auch deshalb verschwimmen die 17 Titel mit zunehmender Dauer zu einem hyperaktiven Soundmatsch, der einem gehörig auf die Nerven geht.
So fühlt sich "Wiedersehen Macht Freude" trotz des interessanten Konzepts am Ende wie ein Klassentreffen an. Am Anfang freut man sich noch, die alten Kameraden wiederzusehen. Man umarmt sich, redet über die gute alte Zeit und droppt "Was machst du denn jetzt?" an allen Ecken und Enden. Doch irgendwann kippt die Stimmung und man ist nur genervt von diesen Typen und all den alten, angestaubten Geschichten, die man eigentlich längst hinter sich gelassen hatte.
1 Kommentar mit einer Antwort
Wenn man jetzt noch ein bisschen mehr recherchiert hätte, wäre klar gewesen, dass die Monsters bisher nur Livealben aufgenommen haben und din jeweilige Aufnahmetouren zu einem beliebten Ritual geworden sind, hätten wir die nahezu perfekte Rezension, da hier wirklich ausführlich auf die Platte eingegangen wird. Über die Bewertung lässt sich bekanntermaßen streiten
natürlich wären 1/5 (natürlich ungehört) angebrachter gewesen. aber danke für deinen erhellenden kommentar