laut.de-Kritik

Deutscher Punkrock, der schläfrig macht.

Review von

"Ihr müsst sie live erleben", schreiben die Jungs von Montreal auf ihrer Homepage. Sie - damit meinen sie sich selbst. Und vielleicht sollte man das wirklich tun. Vielleicht kann man ihrer neuen Platte "Montreal" dann doch mehr Gutes abgewinnen.

Nach "Alles Auf Schwarz" (2005) und "Die Schönste Sprache Der Welt" (2007) erscheint mit "Montreal" bereits das dritte Album der Hamburger. Vier Jahre möchtegern-punken die Jungs nun schon, geben damit an, dass sie bereits knapp 400 Konzerte gespielt haben. Und auf Viva und MTV zu sehen waren. Die Frage ist nur: Warum?

Es kann nicht an den Stimmen der Sänger Yonas und Hirsch liegen, die klingen ziemlich untrainiert und eintönig. Auch die stets gleich bleibende Tonlage kann nicht ausschlaggebend sein. Und, nun ja, schlechte Reime fallen in deutscher Sprache umso mehr auf. Getreu dem Motto "Reim dich oder ich fress dich" hängt Montreal Worte wie "Gang" - "eng" - "rumhängen" - und Achtung, Achtung: "Gang" aneinander. Auch äußerst kreativ: "Ich will hier raus – Ich will doch einfach nur nach Haus."

Die Band startet ganz passabel in "Schade Um Dich" und "Erzähl mir mehr", die sowohl textlich als auch musikalisch gut ins Ohr gehen. Im Track "Mädchen aus Berlin" singen die Hamburger dann ganz selbstkritisch: "Ich komm vom Dorf". Leider kann man dem wieder einmal nicht ganz ernst gemeinten Text nur zustimmen: Montreal erinnern an die örtlichen Kirchweihrocker oder eine Schülerband, die zufällig einen Plattenvertrag ergattern konnte. Wieder einmal Gitarrensound, Schlagzeug, Schlagzeug. Schlagzeug und eine gelangweilte Stimme. Zum Ende hin wird der Refrain kurz noch um einen Halbton erhöht – eigentlich Garant für einen Hit. Doch bei Montreal funktioniert das nicht.

In der Mitte der CD: "Endlich wieder Discozeit". Irgendwie anders, das monotone Organ zeigt, dass doch so etwas wie Klangfarbe in ihm steckt, der Beat hat etwas von Popmusik und die Gitarrenriffs sind nicht so abgeflacht wie gewohnt. Richtig professionell wirkt das nicht, aber der Refrain macht Spaß und Mitsingfaktor hat er ebenso. Ein wirklich gelungener Song. Und ein kluger Schachzug von Montreal, diesen als erste Singleauskopplung zu nutzen. Blöd nur, dass das Ganze eine Parodie auf die Diskomukke sein soll und man so etwas auf der restlichen Platte nicht erwarten kann. Deswegen reiht sich "Montreal" eigentlich übergangslos aneinander. Der Track "Dünnes Eis" bewegt sich sprichwörtlich darauf, denn er beginnt wie Don Henleys "Boys Of Summer" und ständig fragt man sich, ob diese sinnfreien Texte eine Hommage an die neuen Ärzte-Alben darstellen sollen. Es gibt für Punkrocker wahrscheinlich nichts Schlimmeres: Selbst wenn man auf Konzertlautstärke aufdreht, wird man schläfrig.

Zu Gute halten muss man den Jungs, dass ihre Lyrics ab und an ein Schmunzeln hervorrufen – wenn auch nicht wegen besonderer sprachlicher Eloquenz oder Wortgewandtheit. Vielmehr liegt es an den Situationen, die Montreal beschreiben. Zwar nicht gerade innovativ, vom Stecher der Ex ("Dein Neuer Freund und Ich") und Saufabenden zu singen, doch Montreal bringen Witz und Ironie mit. Ob dieses Spiel mit Klischees gewollt ist oder nicht – es macht die Musik wenigstens mitgröltauglich.

"Wer ne unbekannte Band hört, muss sie hassen, wenn sie Trend wird." Das singen Montreal bereits in einem ihrer früheren Songs. Nun, keine Panik, Jungs. So schnell werdet ihr euch keine Feinde machen.

Trackliste

  1. 1. Schade Um Dich
  2. 2. Frühstück Bei Deinen Eltern
  3. 3. Erzähl Mir Mehr
  4. 4. Wir Sind Die Gang
  5. 5. Mädchen Aus Berlin
  6. 6. Dein Neuer Freund Und Ich
  7. 7. Endlich Wieder Discozeit
  8. 8. Angezählt
  9. 9. Dünnes Eis
  10. 10. Das Letzte Lied Für Dich
  11. 11. Tod In Der Wüste

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11 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    @HerrSchreckend (« @Yoshi (« Daas erste Album war damals echt Klasse, hab sie einmao (oder 2mal ?_?) mit ZSK gesehen. Aber das 2te Album fand ich nur langweilig, scheint so als wärs das :/

    Duo mit 2 Fäusten/SOlang die Fahne weht find ich allerdings immernoch Klasse. »):

    meinst du "masturbation saved our lives" als financial freaks oder "alles auf schwarz"? »):

    Alles auf Schwarz.

    Versteh aber jetzt das ganze gehate nicht, so schlecht sind sie nicht und Live machen sie Laune, was wil man mehr :)

  • Vor 14 Jahren

    Ich finde Montreal ist ne absolute Liveband......Auf Platte durchaus gut aber Live der absolute Genuß. Egal ob sie vor rund 100Leuten (gestern in NOH) oder als Suppport vor mehreren tausend leuten....immer gut drauf und voller Elan!
    Zitat Montreal: "Guten Abend, wir sind Culcha Candela. Wir haben alle rausgeschmissen die nich tanzen können!" :D:D

  • Vor 12 Jahren

    Also ich mag die Band sehr, sowohl live, als auch aus der Büchse.

    Die Texte, die mehr oder weniger aus Alltagssituationen stammen, sind vielleicht nicht immer tiefgründig, aber ich glaube auch nicht, dass sie das sein sollen. Aber in fast allen Lieder ist ein Gag eingebaut, der doch noch eine Botschaft hat.

    Die musikalische Technik zu bewerten bin ich wohl außer Stande. Mit Raffinesse protzen sie wohl bestimmt nicht und auch ich, als höchstens Luftgitarrist, habe schon die ein oder andere Melodie wiedererkannt.

    Dennoch hatte und habe ich viel Spaß mit der Band Montreal und bin froh, dass ich, wenn ich das möchte, Musik hören kann bei der ich nicht viel nachdenken muss. (Oder mein musikalisches Niveau ist einfach viel zu flach. Das könnte auch sein.)

    Mich wundert es nur ein wenig, wer sich über so eine Band aufregt, wenn diese so weit vom Trend entfernt ist.