laut.de-Kritik
Die Wege des Herrn sind unergründlich.
Review von Michael SchuhEs ist ein weithin offenes Geheimnis, dass Morrissey zum reichhaltigen Songfundus seiner Band- und Solokünstlerkarriere ein sehr eigenes Verhältnis pflegt. Wie oft schon wunderte man sich als Fan, warum der Meister innerhalb eines zumeist auf 20 Songs begrenzten Live-Rahmens ausgerechnet auf eine obskure Single-B-Seite zurück greift.
Als es nun vor einer Weile hieß, es würden zwei seiner bedeutenden, alten Alben mit Bonustracks neu aufgelegt, freute ich mich schon auf die Moz-Highlights "Your Arsenal" (1992) und "Vauxhall And I" (1994). Doch stattdessen liegen nun "Southpaw Grammar" (1995) und "Maladjusted" (1997) mit frischem Cover und aktuellen Liner Notes vor uns.
Zwei Alben, die an Morrisseys sang- und klanglosem Untergang im grassierenden Britpop-Fieber der Mittneunziger zumindest nicht komplett unschuldig sind. Die Wege des Herrn, sie sind unergründlich.
Im Falle des vorliegenden Albums "Southpaw Grammar", das den schwachen '97er Nachfolger deutlich überragt, diente das Re-Issue wenigstens dazu, der Platte endlich ein gescheites Cover zu verleihen, vor allem eines mit Morrissey-Abbildung, was zuvor nicht der Fall war.
Dass die Urversion im August 1995 überhaupt bis auf Platz 4 der UK-Charts klettern konnte, ist anhand des armseligen, vor Unschärfe und Grobkörnigkeit strotzenden Sträflingsfotos bewundernswert. Die Songs des Albums, nach Brian Enos Absage wieder mit Produzent Steve Lillywhite eingespielt, sollten Morrisseys Musikern seinerzeit mehr Entfaltungsspielraum geben. Dies demonstrierte der damalige, über elf Minuten lange Monster-Opener "The Teachers Are Afraid Of The Pupils" überdeutlich.
Einer der untypischsten und dramatischsten Morrissey-Tracks überhaupt ist auf der Neuauflage leider im hinteren Drittel der Tracklist fast schon versteckt worden. Stattdessen startet das Album heute mit dem vergleichsweise handzahmen "The Boy Racer".
"Best Friend On The Payroll" und das von Morrissey in späteren Jahren stets in Livesets gehievte "Reader Meet Author" gehören zu den besseren Songs. Wer mit der rocklastigen Ausrichtung der Platte seine Probleme hatte, dürfte sich damals vor allem an der melodieseligen Single "Dagenham Dave" festgeklammert haben.
Lag das Hauptaugenmerk bei ursprünglich nur acht Songs doch klar auf den beiden langen Stücken des Albums, zu denen noch das zehnminütige Abschlussstück "Southpaw" zählte, das im Gegensatz zu "Teachers" aber wenig schlagende Argumente für seine epische Länge parat hatte. "The Operation", immerhin noch sieben Minuten lang, dürfte die sanftmütigen "Vauxhall"-Liebhaber mit einem überflüssigen Drumsolo endgültig vergrault haben.
Kommen wir im zehnten Absatz der Kritik aber mal langsam zum entscheidenden Punkt: den vier Bonustracks. "Fantastic Bird" ist ein nettes, ungestümes Rock'n'Roll-Stück, "Nobody Loves Us" eine wirklich schöne B-Seite, was sie damals auch war, nämlich von "Dagenham Dave".
Die mit Gitarrist Boz Boorer komponierten "Honey You Know Where To Find Me" und "You Should've Been Nice To Me" sind aber tatächlich bemerkenswert. Ersteres voll uplifting Akustikgitarren-Bravado, letzteres eine elegische Ballade, die das Unmögliche möglich macht und tatsächlich wie ein "Vauxhall"-Outtake klingt. Klar, dass das damals nicht zum Rest passen wollte. Und schön, dass wir das nun alles besitzen, neues Cover und neue Tracklist hin oder her. Achso, mag hier jemand meine alte "Southpaw Grammar"-CD?
5 Kommentare
Es ist mir immer noch ein Rätsel, warum Southpaw Grammar unter Morrissey-Fans so unterschätzt ist. Die Songs auf der Platte sind allesamt Juwelen - allerdings müssen die erst noch im Ohr geschliffen werden. Wieso tun sich also Morrissey-Fans so schwer damit, sich ein wenig in ein Werk ihres Idols einzuhören?
Boy Racer, Dagenham Dave, Best Friend ..., Reader meet author, The Operation --- alles Lieder, die mit zum Besten gehören, was Mozzer hervorgebracht hat. Selbst die sperrigen "Teachers..." und "Southpaw" sind bemerkenswerte Ausreißer für einen Mann, dem viele Anhänger momentan vorhalten, er wiederhole sich stetig.
Dies zieht sich meiner Meinung durch die späte Karriere des Mozzers. Bis auf "You are the quarry" (das auch beim 20. Mal Hören nicht so richtig zünden will) sind alle Morrissey-Alben nach "Vauxhall" richtige "grower". Der Meister selbst hat es am besten verpackt, als er sich 2006 in Hamburg mit dem Satz verabschiedete:
"So thanks for all that you've given and if you didn't enjoy it, I will grow on you, ciao!"
Deshalb: 3 Sterne vollkommen unberechtigt --> 4 müssen es mindestens sein!
Das alte Cover hat mir besser gefallen. Ehrlich.
@Michael Schuh (« Achso, mag hier jemand meine alte "Southpaw Grammar"-CD? »):
Schieb rüber
@Little15 (« Das alte Cover hat mir besser gefallen. Ehrlich.
@Michael Schuh (« Achso, mag hier jemand meine alte "Southpaw Grammar"-CD? »):
Schieb rüber »):
adresse?
ich werd mir beide kaufen. ich find das alte cover nämlich auch besser. hat was von belle & sebastian und nimmt eigentlich morrisseys heutige live-ästhetik vorweg. und maladjusted hab ich auch noch nicht ...
Platz 5 für die Reissue von Southpaw! Unglaublich ...