laut.de-Kritik

Rembrandt goes Indie.

Review von

In der Bildenden Kunst spricht man vom Chiaroscuro und meint die Hell-Dunkel-Kontraste, etwa auf den Gemälden von Caravaggio oder Rembrandt. Auch My Latest Novel aus Schottland beherrschen das Chiaroscuro (der Begriff wird auch in der klassischen Musik verwendet), ist ihre zweite Platte doch von einem Dualismus aus lauten und leisen, oder eben hellen und dunklen Passagen beseelt. Es ist vor allem diese Dynamik, die den Reiz des Nachfolgers zum viel gerühmten Debüt "Wolves" ausmacht.

Und ja, es geht durchaus pathetisch zu auf diesem Album. Was die Intro als "elendig bedeutungsschwangeren Gesang" kritisiert, kann man sehr wohl auch als höchst gelungene Dramatik goutieren. Die Spannungsbögen, über die das Quintett marschiert, werden getragen von zwar komplexen, jedoch nie überfrachteten Arrangements. Anders als etwa den fellow countrymen von De Rosa auf ihrem jüngsten Werk, pflanzen My Latest Novel bleibende Momente in unsere Gehörgänge. Da nimmt man eine Prise Pathos gern in Kauf.

Wie De Rosa pflegen auch MLN einen recht entspannten Umgang mit der Folklore ihres Landes, was auch dieser Platte überhaupt nicht schadet. Auch hier entfaltet der schottische Akzent seinen ganz eigenen Reiz. Zudem macht auch der vielstimmige Gesang ordentlich was her. Dass man sowohl große Gesten (etwa mittels Geigen etc.) als auch große Worte ("I could turn you to Dragonhide or make you a grain of sand / And let you fall, and crush you like an ant…") nicht scheut, hat mit Prätention nichts zu tun.

Berückend die Inbrunst mit der etwa im Stück "I Declare A Ceasefire" (dem Hit der Platte) Zeilen wie "Please put down your guns, lower your weapons, i declare a change of heart" intoniert werden. Großartig auch der Stimmungswandel in "If The Accident Will", wo man urplötzlich von leise zu laut und dann wieder zurück wechselt. My Latest Novel akzentuieren Vorder- und Hintergründe so, dass dabei eine im besten Sinne des Wortes räumliche Musik entsteht.

Es sind vor allem die variantenreichen, auch wunderbar warmen Stimmen der Bandmitglieder, die einen sogleich an große Namen denken lassen: Mal fühlt man sich an Lampchops Kurt Wagner, mal an Pearl Jams Eddie Vedder erinnert. Der Albumtitel ("Deaths & Entrances") zitiert zudem ein Gedicht von Dylan Thomas. Vor allem aber, man kann das nicht oft genug betonen, sind MLN Meister des Crescendos, Meister der Tempiwechsel, Meister der Dramatik. Mehr Hell-Dunkel auf einer Platte war selten.

Trackliste

  1. 1. All In All In All Is All
  2. 2. Dragonhide
  3. 3. Lacklustre
  4. 4. I Declare A Ceasefire
  5. 5. A Dear Green Place
  6. 6. Argument Against The Man
  7. 7. Man Against The Argument
  8. 8. If The Accident Will
  9. 9. Hopelessly, Endlessly
  10. 10. Re-appropriation of the Meme
  11. 11. The Greatest Shakedown

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