laut.de-Kritik
Eine wohlklingende ausgedachte Zweisamkeit.
Review von Jasmin LützMy Sister Grenadine ist das Soloprojekt von Vincenz Kokot aus Berlin. Er durchbricht die Einsamkeit auf seinem Debüt "Shine In The Dark" nur mit Hilfe der Stimme und einem wechselnden Saiteninstrument. Begleitet wird die harmonische Akustik von der frei erfundenen Schwester, die in seiner Vorstellung "kleine Zettel mit Worten und Zeichnungen voll kritzelt." Die ausgedachte Zweisamkeit klingt schon etwas irre, aber ist wohl eine ganz normale Entwicklung bei Menschen, die oft alleine sind. Man teilt halt gerne seine Impressionen und Gedanken mit einer zweiten Person.
Im wirklichen Leben ist Kokot nicht einsam. Er spielt u.a. bei der Postrockband Polaroid Liquide (Tubleweed Records) und dem Gitarrenduo Kashu. In My Sister Grenadine tobt er zwischen Manie und Monotonie. Melancholische Lieder, die in gängige Popmelodien fließen. Keine euphorischen Gefühlsausbrüche und hyperaktive Rhythmen. Aufgenommen in einer Großstadt mit viel Bewegung.
Eine einsame Ukulele zupft sich mit einem minimalen Glockenspiel gleich zu Beginn im Titeltrack in die Herzen der Zuhörer. Das spanische Temperament ist in "Combine Me" zu hören, was ansonsten auch Lofi-Folk-Elemente aufweist. Trotz der durchlaufenden Akustikstruktur werden die klassischen Liedformate oft durchbrochen und die Gedanken nicht wirklich ausgeführt. Vorwiegend klingt der Singer/Songwriter zurückhaltend, scheinbar zerbrechlich. Mit der Stimme aber für kurze Zeit auch etwas aufbrausend ("Combine Me") oder es zeigt sich sogar eine leicht aggressive Haltung in den Saitenschlägen ("April City Speed Bump Blues"). "Ballad Of Joy" vereint die glückliche Traurigkeit des Berliners, sozusagen ein Trennungsschmerz im stillen Glück.
Die Moll-Akkorde dominieren die Licht durchflutete Dunkelheit. Für "The Ghost" könnte man eine alte Umschreibung herauskramen. "Quiet is the new loud", unter diesem Motto spielten sich zum Beispiel die englische Band Savoy Grand 2002 in die Herzen der ewigen Indies. Möglichst viel Ruhe bewahren zwischen den einzelnen Griffen, Tönen und Glockenklängen. Keine halbe Stunde dauert die wohlklingende ersponnene Geschwisterliebe. Genau richtig, um abzuschalten und den Feierabend zu genießen.
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