laut.de-Kritik
Man möchte nicht in der Haut desjenigen stecken, der die Setlist bestimmt.
Review von Kai ButterweckAls Institution eines Genres steht man immer besonders auf dem Prüfstand: Da gibt es alteingesessene Fans, die sofort nörgeln, wenn man sich auch nur eine Armlänge von den eigenen Wurzeln entfernt. Andere wiederum fordern die permanente musikalische Neuausrichtung. Nur wenige Bands schaffen es, die Balance so zu wahren, dass sich keiner auf den Schlips getreten fühlt. Nada Surf sind so eine Band. Nach über zwanzig Jahren auf dem Alternative-/Indie-Rock-Thron haben die New Yorker längst den Dreh raus.
Bestes Beispiel: die neue Platte "You Know Who You Are". Ähnlich wie auf dem Vorgänger "The Stars Are Indifferent To Astronomy" präsentieren sich Nada Surf hörbar befreit von allen Zwängen. Alle können mitfeiern. Niemand muss bockig die Arme verschränken, denn für jeden ist was dabei. Für die Liebhaber der kratzigen Anfangstage genauso wie für die, die Nada Surf erst mit leichteren Werken wie "The Weight Is A Gift" oder "Lucky" für sich entdeckt haben. "You Know Who You Are" bringt sie alle an einen Tisch.
Den formvollendete Spagat zwischen alt und neu garantieren wieder mal diese unzähligen Ohrwurmmelodien, wie sie scheinbar nur ein Matthew Caws aus dem Ärmel schütteln kann. Der sich schrittweise in einen nach vorne preschenden Indierocker verwandelnde Einstieg "Cold To See Clear" sowie die melancholischen "Believe You're Mine" und "Friend Hospital" liefern schon zu Beginn eine Menge davon ab. Die Tracks bekommt man so schnell nicht mehr aus dem aus dem Ohr.
Völlig gelassen und sich ihrer Stärken bewusst schicken Nada Surf danach einen Hit nach dem anderen ins Rennen. Wahlweise mehr mit dem Fuß auf dem Gaspedal ("New Bird", "You Know Who You Are") oder luftig wie eine warme Sommerbrise ("Out Of The Dark", "Rushing") präsentieren die New Yorker nur Schokoladenseiten. Und wirklich: Von Fillern findet sich keine Spur. Quasi jeder Song präsentiert sich als Kandidat für die bandinterne Greatest Hits-Liste.
Im vermeintlichen Herbst der Karriere zieht das Quartett noch mal alle Register. Man sieht die schwitzenden Fans schon jetzt vor Begeisterung hüpfen, wenn sich Matthew Caws und Co. im April in deutschen Clubs wieder die Ehre geben. Dann möchte man nicht in der Haut desjenigen stecken, der für die Setlist zuständig ist. Ich sage nur: die Qual der Wahl ...
4 Kommentare mit 2 Antworten
über 30 Jahre Alternative-/Indie-Rock-Thron ... Mathe Leistungskurs?
fühlte mich auch kurz älter als eh schon
da muss man natürlich zehn jahre abziehen, sorry...
"inside of love", "always love" und "do it again" waren vor knapp 10 jahren teil des soundtracks meiner juvenilen romantik, wenn man so will ^^ richtig motiviert, jetzt nochmal reinzuhören, bin ich nicht. glückwunsch aber an die band, dass sie wohl immer noch erfolgreich diese mal beschwingte, mal nachdenkliche mucke macht, immer irgendwo zwischen frühling und den herbst, ohne mit diesem schema anscheinend zu langweilen und ohne den spass anner sache zu verlieren
*"den" vor "herbst" bitte übersehen..
Die luserlounge hat hier auch zugeschlagen:
http://luserlounge.blogspot.de/2016/03/nad…