laut.de-Kritik
Der Altmeister covert die Beatles, Leonard Cohen, Randy Newman u.a.
Review von Martin LeuteMit "Dreams" erfüllt Neil Diamond sich einen lang gehegten Traum und widmet sich der geschmeidigen Interpretation diverser Songs, die er für einige der besten der Rock-und Popgeschichte hält: "Du weißt nie, wie lange du noch hast und viele dieser Songs warten schon seit vierzig Jahren darauf, dass ich sie aufnehme."
Dass sich darunter auch das aus seiner Feder stammende und von The Monkees zum Megaseller gemachte "I'm A Believer" befindet, zeugt von großem Selbstbewusstsein und sympathischer Selbstironie. Zumal er diesen Hit in einer skelettierten Version vorträgt, die die Beschwingtheit vergangener Tage hinter sich gelassen hat.
Wie bei den mit Rick Rubin aufgenommenen "12 Songs" setzt Diamond wieder auf unaufgeregte, weitgehend akustische und ohne Schlagzeug instrumentierte Inszenierungen, die ganz auf die Kraft und Eindringlichkeit seiner Stimme und die Größe der Songauswahl setzen. Trotz der Melancholie und Tiefe schafft er eine unbeschwerte und dennoch getragene Stimmung, die darauf schließen lässt, dass es sich um einen gealterten Menschen und Musiker handelt, der völlig mit sich im Einklang ist.
Bill Withers' mit der Akustischen strukturierte "Ain't No Sunshine" erfährt duch das markante Piano, Orgeleinlagen und Streicher eine wirkungsvolle Dramatik, Beatles' "Blackbird" kommt als dezente Bluegrass-Nummer daher, während Diamond das in der Musikgeschichte schon inflationär interpretierte "Yesterday" als Pianoballade mit orchestraler Ausmalung präsentiert und dem Song mit seinem altersweisen Gesang eine ureignen Mehrwert abringt.
Mit diesem Organ wagt er sich dann auch trotz der unübertroffenen Version von Jeff Buckley an Leonard Cohens wunderbares "Hallelujah", das hier behutsam von der gezupften E-Gitarre begleitet wird. Mit der weiteren Songauswahl untermauert Diamond seine Leidenschaft für emotionale bis melodramatische Melodien, womit er vor Jahren vielleicht in die Pathosfalle geraten wäre.
Gilbert O'Sullivans "Alone Again (Naturally)" leuchtet zur Akustikgitarre im sonnigen Bossa-Rhythmus ebenso schön wie der mit weichen Percussions ausstaffierte "Love Song" von Leslie Duncan oder Leon Russells "A Song For You", in welchem Neil gar dem Saxophon zur Renaissance verhilft. Zum reduzierten Gitarrenspiel huldigt er schließlich mit zwei Stücken dem geschätzten Randy Newman ("Feels Like Home", "Losing You") und beschließt das Werk zu schunkelnden Bläsern mit Harry Nilssons "Don't Forget Me".
Vergessen werden wir Neil Diamond mitnichten, zumal sich der Altmeister alle zwei Jahre immer wieder mit verlässlich guten Werken in Erinnerung zu rufen scheint. "Dreams" überzeugt durchweg, wenngleich das interpretierte Liedgut dem zauberhaften Charme der Vorgängeralben etwas nachsteht.
3 Kommentare
Erinnert ein bisschen an den kläglichen Versuch, Johnny Cashs Comeback-Erfolg nachzueifern...
Ach komm, das ist schon gut gemacht. Natürlich ist die Rubin-Produktion nah an Cash, doch auch Diamond genießt es noch einmal in vollen Zügen alte Kamellen aufzuwärmen. Und das macht Spaß. Mehr auch nicht...
Ich glaube nicht das Diamond Cash nacheifern will. Er will eher noch mal eine amtliche Aufnahme seiner Stimme.
Versteh mich nicht falsch, ich mag Neil Diamond fast genauso gerne wie Johnny Cash...