laut.de-Kritik
Einige gefällige Songs und wenige Höhepunkte.
Review von Benjamin FuchsEin satter Keyboardteppich, fast synthetisch klingende Drums, und über allem fragt Nena säuselnd "Willst Du Mit Mir Gehen". In seinem weiteren Verlauf entwickelt sich der Song zu einem Fall für den Autoscooter auf der Dorfkirmes. Deutsch mit Elektro-Einflüssen ist schließlich gerade in Mode. Doch anstelle von interessanten Elektronika finden sich auf dem ersten Teil von "Willst Du Mit Mir Gehen" vor allem billige Plastiksounds.
Mal ehrlich: Hätte jemand auch nur einen Euro darauf gewettet, dass Nena noch mit einem guten neuen Album um die Ecke kommen würde? Wohl nicht, nachdem die totgesagte Sängerin 2003 mit lauwarmen Aufgüssen alter Hits aufwartete und das als "Nena Feat. Nena" vertickte. Das Comeback wirkte eher wie ein Sonderverkauf von Auslaufmodellen im Schuhgeschäft, selbstverständlich auf Hochglanz poliert.
Auch "Willst Du Mit Mir Gehen" überzeugt nicht auf der ganzen Linie. Schuld daran sind vor allem die zum Teil arg billigen 90er Jahre-Sounds und die penetrant stampfenden Beats. Sie beherrschen gut die Hälfte von CD "Rot". "Lass Mich" wird mit diesen Mitteln beispiellos zertrümmert. Erträglich ist "Rot" immer dann, wenn die Schießbude naturbelassen klingt und das klassische Rockbesteck zum Einsatz kommt. So gerät "Liebe Ist" wenigstens zu einem netten Popsong. Auch die atmosphärische Pianoballade "Wir fliegen", ist mit ihrem schwebenden Sound recht gut gelungen.
Während CD "Rot", in Zusammenarbeit mit Nenas Keyboarder der ersten Stunde, Uwe Fahrenkrog-Petersen, in Berlin entstand, ist die zweite CD namens "Orange" das Ergebnis von Jam Sessions der Band auf Mallorca. "Orange" ist der interessantere Teil des Albums, weil anscheinend kein Single-Zwang herrschte und experimentiert werden durfte. Dennoch klingen die Lieder nur selten nach Jammen ohne Plan. Dafür sind die Tracks zu ausgefeilt. Trotzdem erscheinen die Songs roher, spontaner und deswegen auch natürlicher als der erste Teil des Albums. Mit bis zu elf Minuten Länge erreichen die Stücke unerwartete Ausmaße. Nena gestattet einigen Songs, sich langsam aufzubauen. Teilweise entstehen dadurch schöne Klanggebilde, die sich manchmal nach Minuten der Redundanz aber auch als arg langatmig herausstellen.
Sicher war es ein mutiger Schritt von Nena, derart lange und für ihre Verhältnisse experimentelle Songs auf das Album zu packen, doch vergraulen wird sie ihre alten Fans damit sicherlich nicht. "Orange" wird kaum jemandem wehtun. Wer lieber poppige Nena-Songs mag, hört einfach "Rot" und lässt die andere Scheibe in der Hülle. "Willst Du Mit Mir Gehen" ist insgesamt ein bemühtes, aber durchwachsenes Comeback mit einer Reihe gefälliger Songs und zu wenigen Höhepunkten.
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