laut.de-Kritik
Wenn Ian Curtis das geahnt hätte ...
Review von Daniel StraubDie britischen New Order haben ein ganz besonderes Verhältnis zu ihren Fans. In regelmäßigen Intervallen bedankt sich das Trio mit feinen Fan-Editionen bei den treuen Anhängern. Nun ist es nicht so, dass auf den üppig gestalteten Sammlungen die Musikgeschichte umgeschrieben wird und zahllose noch nie veröffentlichte Songs das Licht der Welt erblicken. Vielmehr feiern New Order und ihre Fans schlicht die Tatsache, dass es die Band überhaupt gibt - und führen sich dies alle Jahre wieder mit einem neuen retrospektiven Longplayer vor Augen. Vor zwei Jahren zum Beispiel mit der schönen 4-CD-Box "Retro".
Nun legen sie mit "A Collection", die sowohl auf CD als auch auf DVD erscheint, gleich doppelt nach. Bei der Zusammenstellung der Songs haben sich New Order schlicht am Faden ihrer Single-Veröffentlichungen entlang gehangelt. Damit sind die Überraschungsmomente dieses Mal zu vernachlässigen. Dafür fällt beim Blick auf die Tracklist etwas ganz anderes ins Auge: das Schaffen der Band in den vergangenen rund 20 Jahren.
Es ist beeindruckend zu sehen, wie New Order mit ihrem Sound über mehr als zwei Dekaden der Popgeschichte ihren Stempel aufgedrückt haben. Mit der Single "Blue Monday" schrieben sie den Tanzflächen dieser Welt 1983 ein Stück auf den Leib, das bis heute nichts von seiner Ausstrahlung verloren hat. Auf "A Collection" ist es im Remix und der entsprechenden Video-Fassung von 1988 zu sehen. Das Original wurde seinerzeit bereits im DJ-freundlichen Maxi-Format veröffentlicht.
Damit gelang New Order kaum drei Jahre nach ihrer turbulenten Gründung ein fulminanter Neubeginn, mit dem so niemand gerechnet hatte. Am wenigsten wahrscheinlich die Band selbst, schließlich stand am Anfang der Karriere eine gewaltige Hypothek. 1980 spielten Bernard Sumner, Peter Hook und Stephen Morris zusammen mit Sänger Ian Curtis in der Band Joy Division. Mit ihrem dunklen New Wave waren sie die Band der Stunde.
Dann, im Frühjahr 1980, erhängte sich Curtis. Joy Division war die Vergangenheit. New Order sollte die Zukunft sein, auch wenn die zunächst noch ungewiss aussah. Aus der Erbmasse von Joy Division bediente sich das Trio zunächst auch und landete mit "Ceremony" einen ersten Hit, auf "A Collection" in einer Live-Version vertreten. Genauso wie ein anderer Hit der ersten Tage: "Temptation". Der Fokus der DVD-Sammlung liegt jedoch eindeutig in den später 80er und frühen 90er Jahren, als New Order ihren eigenen Sound gefunden hatten.
Das ist auch die Zeitspanne, in der New Order den größten kommerziellen Erfolg hatten. Mit "World In Motion" komponierten sie 1990 den offiziellen WM-Song, die 93er-Single "Regret" wurde sogar in LA am Strand neu in Szene gesetzt, als 'Baywatch Version'. Wenn Ian Curtis das geahnt hätte ... Mit "Crystal" und "60 Miles An Hour" vom gefeierten Album "Get Ready" haben New Order 2001 schließlich ein überzeugendes Comeback hingelegt, auch was die Umsetzung der Songs als Videoclips angeht.
Die Clips ihres letzten Albums "Waiting For The Siren's Call" bilden den Abschluss der DVD. Nicht nur für Fans von New Order ist "A Collection" ein Grund, sich an der Existenz dieser Band und ihrem fortlaufenden Schaffen zu begeistern. Wer hätte eine solche Karriere zu Beginn des Jahres 1981 auch nur im entferntesten für möglich gehalten?
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