Ein Abend wie ein Schlag in die Magengrube: Angus Young, Brian Johnson und Band liefern, als ginge es um ihr Leben. Fotos/Review.
Berlin (dp) - Es ist kurz nach 20 Uhr im Berliner Olympiastadion. Die Sonne steht bei angenehmen 25 Grad noch hoch, während sich das Stadion langsam aber bestimmt füllt und in ein brodelndes Rock-Mekka verwandelt. AC/DC betreten die Bühne, und was sich dann abspielt, ist weniger Überraschung als vielmehr eine Bestätigung dessen, weshalb diese Band seit Jahrzehnten ein Monument der Rockgeschichte darstellt.
Die fünf Männer auf der Bühne sind alt – keine Frage. Bandboss Angus Young, mittlerweile 70 Jahre, hüpft weiter unermüdlich in Schuluniform über die Bühne, als hätte jemand die Uhr in den 80ern angehalten. Auch Sänger Brian Johnson, fast 78, wirkt mit Schiebermütze und knurriger Stimme, als hätte ihn der Geist des R'n'Rs nie verlassen.
An der Rhythmusgitarre steht Angus' Neffe Stevie Young, der seit Malcolms Tod 2017 fest zum Line-up zählt. Seine Rhythmusgitarre hält die Maschine am Laufen – präzise und essentiell. Chris Chaney, Ersatz für Cliff Williams, steht seit vergangenem Jahr am Live-Bass und hält stoisch das Fundament. Stammdrummer Phil Rudd fehlt ebenfalls, ihn ersetzt von Matt Laug, seit September 2023 im Boot, der seinen Job solide erledigt, ohne aufzufallen.
No fillers, just killers
AC/DCs Setlist ist ein wuchtiger Rundumschlag aus Klassikern. "Back In Black", "Thunderstruck", "T.N.T.", "Highway To Hell" – alles dabei und wie bestellt. Bei "Whole Lotta Rosie" gibt es die überlebensgroße, aufblasbare Puppe, die eigentlich zum Inventar gehört wie Angus' Schuluniform, leider nicht mehr. Stattdessen flimmern digitale Red Light District-Animationen über die Leinwand. Auch der AC/DC-Zug rattert virtuell über die Bühne, dennoch: Die Fans flippen komplett aus.
"Highway To Hell" verwandelt das Olympiastadion in einen unisonen Chor. Alle sind dabei: Die VIPs auf der Haupttribüne, die sich mit Chanel-Taschen und Rolex am Handgelenk schütteln, und auch der gemeine Fan, der im hinteren Teil des Stadions steht, weil selbst hier die Karten noch sündhaft teuer waren. Der AC/DC-Kapuzenpulli kostet übrigens 95 Euro, ein Shirt gibts für 50. Aber mit oder ohne Merch: AC/DC packt sie alle. Selbst den Verletzten auf der Trage, der mit letzter Kraft noch die Teufelshörner reckt, bevor er mit den Sanis in den Katakomben des Stadions verschwindet.
Beim großen Finale wächst Angus Young im wahrsten Sinne des Wortes noch hoch hinaus: Auf einer beweglichen Hebebühne spielt er ein infernalisches Gitarrensolo, bevor das Konzert mit einem gigantischen Feuerwerk endet. Johnson bedankt sich bei den Fans: "Berlin ... We salute you!".
Der Fels in der Brandung
AC/DC machen keine halben Sachen. Innovation ist nicht ihr Ding, muss es auch nicht sein. Die Show ist laut, klar und ohne Schnörkel – genau wie die Songs. Die Band hat wahre Tragödien überlebt: Bon Scotts Tod 1980, Malcolm Youngs Krankheit und Tod, Rudds Eskapaden, Johnsons zwischenzeitlichen Ausstieg wegen Hörproblemen. Und trotzdem stehen sie hier, 2025, vor fast 70.000 Fans und liefern ab, als ginge es um ihr Leben.
Man kann ihnen vorwerfen, sich nur zu wiederholen. Doch genau darin liegt der Kern dieser Band. AC/DC sind ein Fels in der Brandung der sich ständig verändernden Musikindustrie. Wer auf einen Gig geht, weiß, was er bekommt – und will genau dies. Keine Experimente, keine Balladen, keine Zugeständnisse an Trends. Nur harten R'n'R, direkt, kompromisslos und mit donnerndem Nachdruck. Ein Abend wie ein Schlag in die Magengrube – aber einen, den man sich nur zu gerne abholt.
Fotos und Text: Désirée Pezzetta.
2 Kommentare mit 2 Antworten
War in den letzten 25 Jahren auf drei AC/DC Konzerten - diemal jedoch nicht. AC/DC scheint sich zu weigern, seinem tollen Material auch nur die kleinste neue Facette abgewinnen zuwollen. Jedes Konzert ist absolut gleich. Ja, sie geben jedesmal 110% und jeder Song ist ein Banger - ich finde es dennoch nur noch langweilig. Gönne es aber jedem der sich nicht daran stört und einfach eine Gute Zeit hatte.
Es ist halt noch unberührter, schwitzender, kneippiger, unverfälschter und hemdsärmeliger Klassik-Rock. Nicht diese ganze industrial-gekünstelte Scheiße von heute. Einfach Männer, denen man ihre Probleme auch gerne abnimmt.
„ Einfach Männer, denen man ihre Probleme auch gerne abnimmt.“
♥
Probleme wie Gebissreinigung, welche Windel am besten passt, Wolken zum Anbrüllen, und die verdammte Jugend heutzutage ♥