Die Sängerin von "No More Rain (In This Cloud)" kam mit 63 Jahren auf einem Highway ums Leben. Schon in den 70ern trug sie maßgeblich zur ersten Blüte des Eastcoast-Rap bei.
Montgomery (Alabama) (phk) - Angie Stone war die wohl dienstälteste Rapperin des Planeten, um die Jahrtausendwende eine der Schlüsselfiguren der Neo-Soul-Welle. Nun starb Miss "Mahogany Soul" am frühen Samstagmorgen bei einem Autounfall. In den USA war die Künstlerin bis zuletzt im R'n'B aktiv, veröffentlichte Indie-Alben - aber mit wenig Marketing und Promo und geringer Resonanz. Daneben verdiente sie sich ihr Geld mit Nebenrollen in Fernsehserien und Filmen.
Mit 16 war Angela Laverne Brown unter dem Namen Angie B. im Jahr 1978 auf dem Label Sugar Hill der Sugarhill Gang ins Entertainment eingestiegen. Sie rappte in Columbia (South Carolina) an der Eastcoast als Teil eines Trios namens The Sequence. Dabei handelt es sich um die historisch erste nachweisbare Female-Rap-Formation. Sie waren die Pionierinnen vor Salt-n-Pepa oder J.J. Fad, zählen außerdem zu den ersten Hip Hop-Acts, die überhaupt je etwas auf Platte veröffentlichten.
Angies Kollegin Cheryl the Pearl schrieb selbst einen Teil der Sugarhill Gang-Hits mit, gleichwohl das Label elf Autostunden nördlich in New Jersey residierte. Cheryl verfasste für The Sequence eines ihrer bekanntesten Stücke: "Monster Jam". Die drei Girls teilten sich die zu rappenden Strophen üblicher Weise auf. In diesem Fall rotierte noch Gast-Rapper Spoonie Gee durch den Tune.
"You're the S to the P the double O-N-Y / you're the one MC I will never deny / you better watch out and I tell ya why. / 'Cause I'm Angie B, I might give you a try / Now you're looking in my eyes and you're in a trance", skandiert Angie B. über ihn und hebt sich und seine MC-Künste aufs Podest.
Die Dritte im The Sequence-Bunde, Gwendolyn Chisolm, ist die Platinblonde im einzigen Musikvideo der Gruppe zum zweiten Hit "Simon Says". Hier hat Angie die Lead-Rolle. Man merkt der Performance noch sehr deutlich die Disco-Strömung ihrer Zeit an.
In der zweiten Hälfte der 1980er verlieren sich Angies Spuren, und sie wird Mutter. 1991 taucht sie als Autorin beim Electro-Funk-Kollektiv Mantronix an der Seite des Keyboarders Kurtis el Khaleel wieder auf, schreibt die meisten Songs für dessen CD "The Incredible Sound Machine" mit und verantwortet so zugleich auch die Entstehung des Mikrogenres New Jack-Swing ein bisschen mit, das mit Janet Jackson und Whitney Houston etliche Hits verzeichnet.
Die Vocals gehören Jade Trini, die Zeilen stammen von Angie. Fan des New Jack-Swing war auch der Gründer des Labels Arista, Clive Hunt, der 1997 bei der Arbeit am Song "Everyday" des Trios Devox mit ihr Bekanntschaft schließt. Devox verweist auf den Namen DeVeaux, Sänger Gerry DeVeaux ist als Cousin von Lenny Kravitz entsprechend eng im Musikbusiness vernetzt. Devox bereiten mit ihren smoothen, aber basstriefenden Aufnahmen dem Neo-Soul den Weg.
Kravitz, DeVeaux, Clive Davis und einer der Star-Produzenten der ganzen Neo-Soul-Bubble, Raphael Saadiq, gehören fortan zu Angies Netzwerk, wie auch D'Angelo, ihr temporärer Boyfriend. Bei Lenny spielt sie eine Zeitlang Saxophon in dessen Tour-Band. 1999 hat sie mit "No More Rain (In This Cloud)" ihren Solo-Durchbruch.
Den plötzlichen internationalen Erfolg trübt eine Diabetes-Diagnose. In ihrer Familie ist die Krankheit verbreitet, die Sängerin setzt sich dann in einer US-Kampagne zur Aufklärung über Früh-Signale und Risiko-Erkennung ein. Im Tour-Alltag dennoch schlecht eingestellt, zieht die Erkrankung bald die nächste nach sich, Bluthochdruck. Mit Mitte 40 erhält Angie die Diagnose Herzinsuffizienz. Besondere Aufmerksamkeit erfährt die Künstlerin durch ihre vielen Features mit angesagten Leuten: Mit dem Guru nimmt sie bei Guru's Jazzmatazz einen ihrer schönsten Tracks, "Keep Your Worries". auf.
Innerhalb kurzer Zeit ziehen mit ihr Omar Lye-Fook, Alicia Keys, Eve, Prince, Ray Charles, Candy Dulfer, Joe, Stevie Wonder, Snoop Dogg, Mary J. Blige, Earth, Wind & Fire, Paul van Dyk, die Groove Armada, Mos Def, Macy Gray und Al di Meola ins Studio.
Kaum jemand wundert sich über das fortgeschrittene Alter der 'falschen' Newcomerin, die irgendwie aus dem Nichts zu kommen schien. Dass sie einen Hip Hop-Hintergrund hat, darüber darf sie offiziell nicht sprechen - so sieht es die Vereinbarung mit Label-Chef Clive Davis vor, wie sie später in einem Interview des New Yorker Senders Power 105.1 FM enthüllt.
2015 sorgt die Künstlerin negativ für Schlagzeilen, als sie sich in einem handgreiflichen Streit mit ihrer Tochter mit einem Metall-Gegenstand wehrt und ihr versehentlich Zähne ausschlägt, bis The Sequence-Freundin Gwen den Streit schlichtet. Auch kommerziell läuft es alles andere als rund. Im Laufe der Jahre wechselt Angie Stone für zwei CDs zum wiederbelebten Soul- und Funk-Label Stax, danach zu verschiedenen fachfremden Kleinst-Labels für Americana, Reggae und Sixties-Retro-Sound. Schließlich landet sie wie so viele in die Jahre gekommenen Kollegen (UB 40, Kool & The Gang) bei der SoNo Group und releast ihr letztes Werk, das sich ausschließlich mit Herzschmerz und der Suche nach Mister Right auseinander setzt.
Mit einem Kleinbus waren Angie Stone und acht Band-Mitglieder nachts unterwegs vom US-Staat Alabama nach Atlanta, Georgia. Der Van kam auf der Interstate 65 von der Spur ab und stieß mit einem LKW zusammen, so die örtliche Polizei laut USA Today. Alle weiteren Insassen außer Stone überlebten das Unglück, nach aktuellem Stand, mit Verletzungen.
Die Band war gerade auf dem Weg von einem Auftritt zum nächsten. "Ihr Talent zog alle Anwesenden in ihren Bann, und ihre Präsenz hat die Veranstaltung wirklich aufgewertet", sagt der Veranstalter des letzten Konzerts, das Angie Stone gab, Isadore B. Sims, gegenüber dem CBS-Sender WANF Atlanta News First. "Nie hätten wir uns vorstellen können, dass es das letzte Mal sein würde, dass wir die Ehre haben würden, sie bei einem Auftritt zu erleben." - Angie hinterlässt ihre Tochter Diamond, 41, die die Todesnachricht auf Instagram bekannt gab, ihren 27-jährigen Sohn Michael, dessen Vater D'Angelo ist, sowie zwei Enkel.
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