Gratiskonzerte in Marzahn, der Gropiusstadt oder im Columbiabad? Eine Doku über größenwahnsinnige Pläne und bezaubernde Newcomer*innen.
Berlin (dani) - Erinnern wir uns noch? Als ich vergangenen Sommer Wind davon bekam, dass Peter Fox, Juju und Gringo ein Konzert im Columbiabad in Berlin-Neukölln gegeben hatten, wunderte ich mich noch, dass man von dem Auftritt medial so gar nichts mitbekommen hat. Weder hatte jemand im Vorfeld groß eine Werbetrommel gerührt, noch fanden sich im Nachhinein im Netz irgendwelche Bilder oder Videoaufnahmen von der Poolparty. Seltsame Welt.
Inzwischen jedoch ergibt die Funkstille Sinn: Offenbar haben sich die Beteiligten alles für eine Dokumentation aufgespart. Seit heute steht "Block Party - Peter Fox feiert mit Berlin" in der ARD-Mediathek bereit. Regisseur David Seeberg dokumentiert darin in Spielfilm-Länge eine gute Idee - und was nach dem Gang durch den Behördendschungel davon übrig blieb.
Peter Fox' Gedanke: Wie wärs denn, durch Berlin zu tingeln und in verschiedenen Bezirken Gratiskonzerte zu geben? Nicht mit irgendeinem abgespeckten Set-Up, sondern mit dem kompletten großen "Love Songs"-Tourzirkus wollte er gerade die nicht besonders gut beleumundeten Ecken der Hauptstadt besuchen. In Marzahn, in der Gropiusstadt, im Columbiabad auftreten, sich dabei nicht nur von etablierten Kolleg*innen unterstützen lassen, sondern auch von jungen Talenten aus dem jeweiligen Kiez. In engem Austausch mit Menschen vor Ort, für genau diese Leute. Brücken bauen. Gemeinsam feiern. Klingt gut?
Größenwahn vs. Bürokratie
Klingt super, abgesehen davon, dass Peter Fox seine tatsächlich einigermaßen größenwahnsinnigen Pläne ohne die deutsche Bürokratie gemacht hat. So begleitet David Seebergs Film also nicht nur die Suche nach Supportacts und deren Vorbereitung und Hinfiebern auf ihren großen Auftritt, sondern auch den ermüdenden Kampf mit Behörden, das Ringen um Genehmigungen, mit Vorschriften und Sicherheitsauflagen und den Frust, wenn behördliche Bestimmungen die blumigen Vorstellungen am Ende doch platzen lassen.
Vier Shows wollten Peter Fox und Gefolge ursprünglich spielen, zwischendurch standen sie allesamt auf der Kippe, am Ende wurden es immerhin drei: im Columbiabad in Neukölln, im Görlitzer Park in Kreuzberg und im Palasseum in Schöneberg. Keine Genehmigung erteilte die Stadt Berlin für Veranstaltungen in Marzahn und der Gropiusstadt: besonders bitter für Kopfnikk, den jungen Produzenten und Rapper, den sich Peter Fox als lokalen Support für Marzahn herausgepickt hatte. Er wurde komplett um seine fünf Minuten Fame gebracht. Cerin, die sechzehnjährige Sängerin aus der Gropiusstadt, durfte ihren allerersten selbstgeschriebenen Song immerhin ersatzweise bei der Show in Schöneberg vortragen.
Wie sweet kann jemand sein?
"Block Party" dokumentiert drei Auftritte eines Künstlers, der für wahrhaft fulminante Live-Shows bekannt ist. Dass das ein spektakulärer, unterhaltsamer, quirliger, bunter Konzertfilm werden musste, stand im Grunde von vorne herein fest. Verrückt aber, dass Peter Fox und seine gestählten Bühnenkolleg*innen - von Juju und Gringo über Wa22ermann und Kane zu Alpa Gun, Luvre47 und Ngee - gar nicht die eigentlichen Stars des Films sind. Nö: "Block Party" lohnt sich allein schon wegen der porträtierten Newcomer*innen, drei lebende Paradebeispiele dafür, WIE sweet und sympathisch jemand sein kann.
Als Repräsentanten für Neukölln erwählte Peter Fox unter ortskundiger Anleitung aus seinem Tourtross den Rapper 44Grad. Dessen Followerzahlen können dabei unmöglich den Ausschlag gegeben haben: Gerade einmal 59 monatliche Hörer*innen verzeichnet beim Drehtermin sein Spotify-Account, inzwischen sind es stolze 82. Trotzdem: perfekte Wahl. Dem Erzieher und seinen Homies beim Proben, ihrem ersten großen Live-Moment und dann gleich noch einem zweiten, noch größeren zuzuschauen, lässt einem schlicht das Herz aufgehen. Kein Wunder, dass dieser junge Mann keine Probleme hatte, die Gunst seines ebenfalls herzzerreißend niedlichen Schwiegerpapas zu gewinnen.
"Peter Fox - ich hab' noch nie was von ihm gehört." Die sechzehnjährige Cerin zu beeindrucken, scheint sich dagegen einigermaßen schwierig zu gestalten. Sie hatte zuvor ein bisschen Buzz auf TikTok, aber keinerlei Live-Erfahrung. Ihr egal: Sie singt in Gegenwart des Seeed-Frontmanns in irgendeinem kargen Probenraum, ohne Mikrofonständer bei der Abschlussfeier ihrer Schule (die genau so aussieht, wie man sich die Abschlussfeier einer Schule vorstellt, in einer schäbbigen Aula mit von der Wand gefallener Ballon-Dekoration) oder auf der Bühne vor Tausenden von Leuten, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan. Dass das alles trotzdem keine Routine für sie ist, verraten ihre süß aufgeregten Bitten um Fotos mit der Crowd ... wobei: Mich hatte sie schon mit "My Heart Will Go On" um den kleinen Finger gewickelt. Titanic auf dem E-Scooter. Wahnsinn.
Nur ein Trostpreis
Warum sie nicht auch für Kopfnikk auf einer der anderen Shows fünf Minuten Stagetime abzwacken konnten, erschließt sich nicht ganz. Wenn Peter Fox am Ende des Films konstatiert, er habe "mit dem Osten noch eine Rechnung offen", schließt das den jungen Produzenten und Rapper aus Marzahn dann hoffentlich mit ein. Er guckte nämlich in die Röhre, als es die Marzahn-Show mangels Genehmigung ausfallen musste. Als Trostpflaster für die entgangene Auftrittsmöglichkeit gab es für Nik lediglich ein Meet & Greet mit einem Produzentenkollegen aus den Reihen der Krauts. Auch nett, aber, wie Peter Fox es in minimal anderem Zusammenhang selbst formulierte: als habe man jemandem ein neues Fahrrad versprochen, und ihn dann statt dessen mit einen Kugelschreiber abgespeist.
Musikalische Zukunft? Pink!
Aber wer weiß? Vielleicht begegnen wir Kopfnikk ja noch. Peter Fox' Schlussworte nähren durchaus die Hoffnung, dass die hier dokumentierten nicht seine letzten Gratiskonzerte mit unmittelbarem Nachbarschaftsbezug gewesen sein könnten. Er denke dabei nicht nur an Ostberlin, sondern auch ber die Stadtgrenzen hinaus. Gut möglich also, dass es eine weitere Serie Blockpartys geben wird, in Thüringen, oder in Cottbus. Bis dahin bietet diese Doku eineinhalb Stunden lang gute Unterhaltung und, zumindest mit Blick auf den musikalischen Nachwuchs, wahrhaft rosige Zukunftsaussichten: "Wenn du mich fragst, wird alles gut, mein Kind."
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