laut.de-Kritik
Hauptsache raus aus Berlin.
Review von Josephine Maria Bayer"Endlich sehen wir uns wieder, erstmal n' Meter Tequila. Schwestern und Brüder, die Message ist Liebe". 15 Jahre nach seinem wegweisenden Debütalbum "Stadtaffe" (2008) wandelt Peter Fox wieder auf Solopfaden. Mit seinem zweiten Studioalbum "Love Songs" setzt er auf seine altbewährten, astrein produzierten Dancehall-Beats und bildreiche Songtexte. Wie ein Alt-Hippie sinniert Fox in den elf Tracks über Peace, Love und die ein oder andere bewusstseinserweiternde Substanz: "Seh' meine Moleküle schweben über Strawberry-Fields" ("Disney").
Fox wendet sich in seinen Texten von seinem heimatlichen Großstadtdschungel ab, träumt stattdessen von spießbürgerlichen Urlaubszielen: Die Toskana ("Toscana Fanboys") und Dubai ("Regen in Dubai") rufen. Hauptsache raus aus Berlin und dahin, wo der Himmel immer blau ist: "Blue Skies so weit das Auge reicht." Inmitten der vielen "Huh!"-Interjektionen meint man dennoch ab und zu einen Stadtaffen zu hören.
"Meine Welt ist ein Frisbee. Vielleicht 'n Ticken zu Disney" singt Fox in "Disney". Der Song beginnt mit sphärischem Glockengeläut und rhythmischem Klatschen, das von einem synkopierten Beat abgelöst wird. Zwischendurch klingt es, als ob Seifenblasen platzen. Steckt dahinter eine Message? Vielleicht ist das Leben doch nicht so magisch wie Disneyland und der idyllische Traum vom einfachen Leben eher wie eine Seifenblase, deren Existenz von kurzer Dauer ist.
Zwischen den lockeren Beats, "Hakuna Matata"-Texten und "Ah-uh"-Background-Gesang des Albums versteckt Peter auch einige tiefsinnige Gedanken über die Welt, wie er sie tatsächlich wahrnimmt. Die Tracks "Weiße Fahnen" und "Gegengift" thematisieren Spannungen in persönlichen Beziehungen und der Gesellschaft: Die Menschen werden immer engstirniger, verlieren sich immer mehr in Rechthaberei und extremen Ansichten. Diesen Trends tritt Fox mit Empathie und Selbstreflexion entgegen: "Ich weiß, eigentlich müsst ich sie umarmen. Sonst werd' ich schon bald wie sie."
Die postpandemische Partyhymne "Vergessen Wie" bleibt im Ohr. Kurzzeitig erinnern Streicher an den Fox-Klassiker "Haus Am See". Auf den rhythmischen Track folgt ein instrumentales Intermezzo ("Dawn Of The Dawn"), in dem neben gedämpften Beats und Streichern auch wortloser Jazz-Chorgesang zu hören ist. Eine Sirene leitet in den nächsten Song "Gegengift" über, der mit knackigen Beats brilliert.
Trotz einiger ausdrucksstarken Tracks ist "Love Songs" um einiges weniger aufregend als Fox‘ Debütalbum. Zwar schlägt es sich angesichts der großen Erwartungen insgesamt nicht so schlecht, doch gibt es einige Tracks, die hinter ihrem Potential zurückbleiben. "Tuff Cookie" langweilt mit flachen Liebesbekundungen an Fox' Angebetete. Die Textzeilen von "Celebration" sind ein wenig merkwürdig: "Ich bin ein schönes Tier und ich gehör' nur mir, gehör' nur mir, ja. Ich will mich verlier'n, will zelebrier'n bin innen gut wie Winnetou. Schicke euch Bisous von der Dark Side of the Moon."
Der abschließende Track "Zukunft Pink" tritt letzteren, etwas inhaltslosen Zeilen mit tiefsinnigen politischen Botschaften gegenüber. Peter hat keinen Bock auf Typen wie Kanye West, der zuletzt mit antisemitischen Aussagen irritierte: "Hör auf dein Herz und nicht auf Kanye". Zudem kritisiert Fox Kriege und Kapitalismus und macht sich für Geflüchtete stark: "Komm, wir machen ab jetzt nur noch Liebe statt Krieg. Was war nochmal Hunger? Und die Luft bleibt clean, I have a dream. Schick' dir Flowers per Drohnenflug, sag' dir, alles wird gut in unsrer Zukunft. In unsrer Zukunft finden alle Refugees Zuflucht. Ja, das Movement ist schon unterwegs, von Teheran über Lagos nach Paris."
Trotz allem, was gerade in der Welt schief geht, blickt Fox der Zukunft optimistisch entgegen, bietet den toxischen Tendenzen der Gesellschaft sein Gegengift an: Die Message ist Liebe.
12 Kommentare mit 5 Antworten
Richtig, die Liebe steht da schon sehr im Zentrum. Und generell dieses sehr leichte Urlaubsgefühl. Manche Songs sind mir ein bisschen zu flach ausgefallen, fast untypisch bieder. Es war aber auch klar, dass er Stadtaffe nicht einfach so noch mal droppen kann. Weiteres, für Interessierte, hier: https://youtu.be/KQBvJbBUXU0
Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.
Song's?
Ja, Son'gs.
das ist klingonisch für: Großer Sieg, oder auch erfolgreicher Toilettengang; hängt vom Kontext ab.
Großer Sieg und erfolgreicher Toilettengang sind doch synonym zueinander
Ich habe gar nichts erwartet und es gefällt mir ganz gut. Klar kein zweites Stadtaffe, aber ein kurzweiliges Vergnügen. Musikalisch istdas für Radiomusik gut ausproduziert und Fox hat das Charisma, seine Texte bedeutsamer klingen zu lassen als sie sind. Dreht sich bestimmt noch ein paar Mal in diesem Sommer, bevor es vergessen wird.
Nachdem ich Zukunft Pink gehört hatte war ich enttäuscht - wo sind die ungewöhnlichen Arrangements, die Streicher etc.?
Das Lied hat mir nicht gefallen.
Aber das Album ist doch gut geworden.
Es ist vielleicht nicht mehr so nachhaltig im Ohr und so auffällig fresh wie Stadtaffe damals, aber he, es ist gut produziert und endlich mal wieder jemand, der cool ist und klingt, ohne gleich alles und jeden zu dissen oder mit Flüchen vor den Kopf zu stoßen!
Und wer traut sich schon noch, zuzugeben, dass er im Unrecht war und lieber die weiße Fahne hisst anstatt weiter zu streiten?
Sympatiebonus inklusive bei 6 guten Tracks von 10 nur knapp an einer 4 vorbeigeschrammt.
Das Album mundet, schwer mit Stadtaffe zu vergleichen, aber einfach zeitgemäß und (trotzdem) gibt das Album auch lyrisch was her. 4/5!
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Das Album mundet, schwer mit Stadtaffe zu vergleichen, aber einfach zeitgemäß und (trotzdem) gibt das Album auch lyrisch was her. 4/5!