laut.de-Kritik
So kann man sich Berlin gefallen lassen!
Review von Alexander CordasBerlin! Berlin! Berlin!
Auch wenn man diese sechs Buchstaben nur angewidert tippen kann, man muss dem großen Hundeklo doch dankbar sein, für die musikalische Sozialisierung des Herrn Fox das urbane Hintergrundbild geliefert zu haben. Thematisch spielt Cölln die zentrale Rolle, was beim Titel "Stadtaffe" auch zwangsläufig sein dürfte: "In einer Stadt voller Affen bin ich der King, weil ich mit schiefer Grimasse für die Massen sing".
Recht so. Unter den gegebenen Umständen ist es auch absolut okay, in der eigenen Hood abzuposen. Was bleibt dem Seeed-Fronter und Knöpfchendreher auch anderes übrig? Schließlich sagte Cee-Lo Green erfolgsbedingt eine Zusammenarbeit vorerst einmal ab. So entfiel der Wunschkandidat für den Sängerposten. Aber selbst ist der Affe. So schustert sich Peter Fox eben doch ein Solo-Album zusammen.
Dass sich Fox aka Baigorry komplett vom Sound seiner Hauptband entfernt, war nicht anzunehmen. Und doch schleichen sich Elemente ein, die man so vom Dancehall-Elfer nicht kennt. "Alles Neu" dürfte – nicht zuletzt dank des launigen Videos – sattsam bekannt sein. Die Babelsberger Streichmusikanten geben dem Song einen spannenden Kick und rollen Fox einen samtenen roten Teppich aus. Hier macht sich exemplarisch schon die ausgeklügelte Produktion bemerkbar, die sich durchs komplette Album zieht. Der Versuchung, Bombast mittels Effekt-Overkill zu erzeugen, erliegt Fox zu keiner Zeit. Vielmehr sitzt alles an seinem Platz und pumpt – trotz reduzierter Instrumentierung – äußerst vorzüglich.
Was nicht heißen will, dass Pierre dezenten Größenwahn außen vor lässt. "Schwarz Zu Blau" vermittelt, nicht zuletzt dank der apokalyptischen Streicher-Einsätze, eine wahre Weltuntergangsstimmung, die von textlicher Seite hervorragend flankiert wird: "Guten morgen Berlin, du kannst so hässlich sein, dreckig und grau, du kannst so schön schrecklich sein, deine Nächte fressen mich auf" Auf dem Kopfhörer dürfte das der perfekte Soundtrack auf dem Nachhauseweg sein, wenn man (noch einigermaßen Herr seiner Sinne) im urbanen Minenfeld zwischen Hundekacke und Kotze am frühen Morgen Richtung Heia wankt.
Wer sich jetzt jedoch auf ein nach Beton klingendes Album einstellt, den überrascht Baigorry mit einem Auf und Ab an Stimmungen. "Haus Am See" bietet zum vorangegangenen Asphalt-Alptraum den entspannt lässigen Kontrast. Süßliche Violinen-Sätze und launige dezente Einwürfe des weiblichen Background-Chores erzeugen die ideale Begleitmusik für foxens idyllisch-humoriger Beschreibung seines Altersruhesitzes.
Trotz Hang zur Berlin-Philosophie, Partytracks sind auch am Start. Allen voran der Titelsong, der eine wahrhaft monströse Groove-Welle vor sich her schiebt. "Alles ist bunt, laut und blinkt, die Stadt voller Affen ist laut und stinkt." Zu diesen Klängen bedarf es nur wenig Fantasie, sich einen Pierre Baigorry vorzustellen, der auf einem imaginären Podest thronend der schwitzenden Masse einheizt. Anlage aufdrehen bis zum Anschlag und Abfahrt!
Diese Rhythmus-Bombe markiert den Höhepunkt des Albums, von dem aus Fox uns langsam Richtung Ende geleitet. Bevor "Stadtaffe" aber ausklingt setzt es noch ein hormongeschwängertes Männlein-Weiblein-Zwiegespräch mit der fantastischen Vanessa Mason. Weshalb man nach dieser Stimme immer noch im Netz suchen muss, um zu wissen, was sie bis dato veröffentlicht hat, ist - gelinde gesagt - eine Sauerei. "Ich weiß, ich bin Zucker, dir wird heiß, ich seh dich doch ich guck an dir vorbei". Bitte liebe Labels, nehme sich einer dieser Dame an und gebe ihr eine große Bühne.
Apropos große Bühne: Peter Fox betritt mit seinem ersten Solo-Ausflug selbige mit einem rundum gelungenen, humorigen und im Sound ausgeklügelten, äußerst lässigen Selbstverständnis. Die zwölf Songs auf "Stadtaffe" verzeichnen - trotz vereinzelter Abzüge in der B-Note - keinen einzigen Ausfall. So lasse ich mir Berlin dann doch gefallen.
143 Kommentare
schbinjespannt...werd ich nächste woche holen. bitte lass es rumsen!
Die Review macht ja schonmal Bock auf mehr.Freu mich drauf.
Bewertung war so klar...
Album kann ich mir wohl nicht ständig geben, aber gelungen ist es auf jeden Fall.
Über 1 Million verkaufte Platten - Das spricht für sich.
Gestern nochmal in voller Länge gepumpt, eines DER deutschen Alben überhaupt, jetzt schon Geschichte für immer. Man darf gespannt sein ob er dann doch nochmal einen drauf setzt, dieses mal müsste er wohl nicht privat vorfinanzieren..
Wird Zeit für die Meilensteinrezi für das Ding oder? Cordas absolut phänomenalen Einstieg in die Rezi kann man gerne behalten, aber der Rest gehört mal angemessen gewürdigt, so als grösstes deutschsprachiges Album des Jahrzehnts, vielleicht des Jahrhunderts.