Beim zweiten Anlauf in der Hauptstadt versöhnt Andrew Eldritch sein Publikum - auch, wenn die Stimme nicht mehr mitmacht.
Berlin (dp) - Nach dem abgebrochenen Konzert im vergangenen Herbst kehrten die barmherzigen Schwestern gestern nach Berlin zurück, um ihre Show zu Ende zu bringen. Fast hätte es mit dem Gig der The Sisters Of Mercy aber wieder nicht geklappt - was ausnahmsweise nicht die Schuld des empfindlichen Masterminds Andrew Eldritch war.
Nein, der plötzliche Wintereinbruch hatte nach dem Konzert am Tag zuvor in Wiesbaden dafür gesorgt, dass der Tour-LKW in den Kasseler Bergen hängen geblieben war. Ein Schock, denn nicht nur das Merch lagert im Truck, sondern auch die Nebelmaschine, das wohl wichtigste Showelement der Gothic-Rocker.
Zwar wurde flink sämtlicher Berliner Show-Smoke angemietet, aber für ein Sisters Of Mercy-Konzert könnte die Sicht am heutigen Abend vergleichsweise ein freier Blick auf die Zugspitze sein. Zumindest, wenn es Licht gegeben hätte. Die Band ist in dieser Angelegenheit aber geradezu ein Paradebeispiel für Nachhaltigkeit und verzichtet weitgehend auf Scheinwerfer. Beschweren darf man sich darüber frelich nicht, scheuen Gruftis nun mal helles Licht.
Gude Laune, Leude!
Aber die Hauptsache: Das Berliner Publikum erlebt eine gut aufgelegte Band, vielleicht eben wegen des fehlenden Nebels. Andrew Eldritch sieht sein ihm ergebenes Publikum. Und auch, wenn seine Stimme nicht mehr mitmacht - das Singen übernimmt weitestgehend Band-Beau und Gitarrist Ben Christo - springt der Funke dann doch über.
Die Performance gerät bandtypisch: Christo und Kai (ausgeliehen von Esprit D'Air) an den Gitarren posen in bester Rockstarmanier, die Muskeln und Haare fliegen. Chris Catalyst betreut den sagenumwobenen Drumcomputer Doktor Avalanche. Und Mr. Eldritch? Der macht, was er am besten kann: cool über die Bühne wandern, die Texte murmeln und sein Gesicht ab und zu in einen Scheinwerfer halten. Der Engländer gibt sich grundsympathisch: Mit '50 Shades Of Grey'-Blumenhemd, Signature-Glatze, Neon-Sonnenbrille und einer gehörigen Portion guter Laune bezirzt er das anfangs noch skeptisch dreinblickende Publikum in Windeseile. Schon bald sieht man die Columbiahalle in einträchtiger Freude: Das hier heute Abend, das funktioniert.
Hits, Hits, Hits – und eine Entschuldigung
Die Setlist lässt keine Fan-Wünsche offen. Auf den ersten Hit, "Alice", warten die Zuschauer:innen nur drei Songs lang. Dabei bleibt es natürlich nicht: "This Corrosion", "Dominion/Mother Russia", "Lucretia My Reflection", "More", "Marian" und natürlich die Überhymne "Temple Of Love" finden ihren Platz im Programm.
Schade, dass Andrews Stimme bei Letzterem wirklich nicht mehr mitmacht, und die finale Weisheit "Life is short and love is always over in the morning" untergeht. Christo rettet auch hier - wie so oft an diesem Abend - mit seiner Gesangseinlage den Song. Seis drum, Eldritch ist nicht mehr der Jüngste, und abgesehen von vielleicht Bryan Adams hat im Alter kaum noch einer eine wirklich glasklare Stimme. Zum Abschied entschuldigt sich Andrew in bestem Deutsch gar für die Unannehmlichkeiten: "Es tut uns echt leid, dass unser LKW noch in Kassel steckt – aber ... wir haben es geschafft!“
Kult verpflichtet
Es ist eine erstaunliche Leistung, über 30 Jahre nach dem letzten Release und mit schlechtem Live-Leumund, noch immer Hallen zu füllen: Die Sisters schaffen genau das. Die Fans stehen offensichtlich kompromisslos hinter ihren Idolen. Aber vielleicht liebt das Publikum mittlerweile auch einfach den Thrill, was ein Sisters-Auftritt wohl bringen mag. Das Nachholkonzert in der Columbiahalle hat die Fans jedenfalls versöhnt.
Von Désirée Pezzetta.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Gab es für diese überschwängliche Rezension ein kostenloses Tourshirt für die Dame? Anders ist das nicht zu erklären. Auch gutgelaunte Sisters machen noch kein gutes Konzert, der Drops ist seit 20 Jahren gelutscht. Das Krächzen Eldritchs ist eine Frechheit und der Ersatzgesang von Christo schlechter als jede Coverband. Vollends unprofessionell wird es jedoch, wenn man diesen Karaokeabend versucht, anhand gleichaltriger Künstler zu legitimieren, die ja auch nicht mehr gut bei Stimme seien. Schon mal einen aktuellen Auftritt von The Cure, Killing Joke, Nick Cave, Depeche Mode, New Model Army etc gesehen? Alle in einem vergleichbaren Alter und stimmlich nach wie vor großartig.
Die Shirts waren doch im LKW, das kann also nicht der Grund gewesen sein. Vielleicht hatte die Rezensentin einfach wirklich Spaß?
Dann für mich eine Monatspackung der selben Drogen bitte.
Dass die immer noch mittelgroße Hallen vollkriegen ist echt ein Phänomen. Inzwischen weiss doch echt jeder, dass die Live komplett daneben sind. Oder ist das so eine Form von Elendstourismus, die ich nicht kapiere?