Satanic Pop Metal in der Schweizer Metropole: Die Schweden feierten mit ihren Fans eine fulminante Show.
Zürich (alc) - Schon lange vor der Veröffentlichung von "Skeletá" buchten Tobias Forge und seine Ghoulettes und Ghouls die Hallen für ihre nun laufende "Skeletour". Im Unterschied zu vorangegangenen Touren gab es seitens der Band diesmal das Gebot: keine Mobiltelefone. Per Videoleinwand wurde bis zum Beginn des Gigs im Zürcher Hallenstadion auch darauf hingewiesen, dass diejenigen, die sich nicht an diese Vorgabe halten wollen, der Halle verwiesen werden. Zu Beginn der Tour gab es deswegen großes Bohei in UK, dem Vernehmen nach kam es zu langen Wartezeiten beim Verschließen der Smartphones in die dafür vorgesehenen Täschlein. In Zürich war davon nichts zu bemerken. Handy gezückt, ab in die Tasche, schönen Abend noch. Auch beim Verlassen der Halle nach dem Konzert gab es keine Delays. Magnet an das Ding, Telefon befreit, gute Heimreise.
Das Publikum war bunt gemischt, von Jung bis Alt. Neben Einheimischen waren offensichtlich nicht wenige Fans aus dem benachbarten Ausland angereist. Bevor das Konzert pünktlich um 20 Uhr startete, stimmten Ghost das Publikum mit schwedischer Folklore ein: "Uti vår hage" und das nachgeschobene wunderschöne Klavierstück "Klara stjärnor", das ließ ganz gut hören, wo Forge seine Klavier-Inspirationen herhat. Den Abschluss der musikalischen Vorbereitung bildete "Miserere Mei, Deus". Das klang schon alles sehr stimmungsvoll, die folgenden fast zwei Stunden sollten es jedoch toppen.
Seine Unheiligkeit in luftiger Höhe
Das Intro und der erste Teil von "Peacefield" kamen noch vom Band, ehe der Vorhang fiel. "Lachryma", "Spirit", und "Faith" (sehr schön) folgten unmittelbar, ohne große "Sperenzchen", ehe beim grandiosen "Majesty" der Auftritt von Papa V mit Mitra und Soutane anstand. Aber nicht vorne auf der Bühne: Seine Unheiligkeit schwebte hinter der Band in luftiger Höhe, gemäß den Lyrics "He's sitting sacred and profound, in midst of sinners looking up to kiss his crown". Beim doch eher mauen "The Future Is A Foreign Land" nahm Papa die Huldigungen der Gemeinde dann wieder vom Bühnenrand entgegen.
Stimmung ohne große Worte
Wie viel Stimmung man auch ohne große Worte machen kann, zeigten beide Gitarristen. Sowohl Phantom als auch Dewdrop rissen nur mit wenigen Gesten das Auditorium zu Jubelstürmen hin, wobei Letztgenannter sich jüngst den Huf brach und beim Erklimmen der Bühnenumrandung die Hilfe des Guitar Techs benötigte, um mit seinem schützenden Stiefel nicht noch einmal aufs Maul zu fallen. Die Erklärung für die eingeschränkte Bewegungsfreiheit des Klampfers lieferte Forge gleich mit: "Not because of skiing, because of ass kicking." Ein wenig verschenkt haben sie "Umbra", bei dem man vergeblich auf ein ausuferndes instrumentales Duell zwischen Keyboard und Gitarre hoffte.
Wer das Zürcher Publikum kennt, dürfte dessen Hang zum Phlegmatismus kennen. Nichts davon war an diesem Abend zu spüren. Das Hallenstadion ging von der ersten bis zur letzten Reihe mit, was sich bei den Publikumslieblingen "Satanized", "Mary On A Cross" und vor allem "Dance Macabre" gut beobachten ließ. Vor "Kiss The Go-Goat" gab es Küsschen für alle und beim abschließenden "Square Hammer" hielt es dann auch auf den Rängen niemanden mehr auf den Sitzen.
Sichtlich befreit
Wie befreiend zudem die neue Maske für Forge war, konnte man ihm in jedem Moment ansehen, er kam quasi aus dem Grinsen nicht mehr heraus, und man konnte es SEHEN! Er hatte eine gute time, was sich auch im Auditorium bemerkbar gemacht hat. Selten sah man derart viele glückselige Gesichter. Wie Papa V meinte: "The times are shit", da kommt ein bisschen Eskapismus genau recht.
Mit Feuer, Krachbumm und Konfetti
Neben einem minimal zu höhenlastigen Sound und einer perfekt abgestimmten Lightshow gab es noch diverse Krachbumm-Effekte, ein bisschen Feuer (die Zürcher Feuerwacht war stets dabei) und Konfettiregen mit Ghost-Banknoten ("Mummy Dust"). Frage: Hat jemand bei den später laufenden Videosequenzen im Tryptichon auch Elon Musk entdeckt?
Da Ghost die besten Songs von "Skeletá" noch im Köcher ließen, darf man hoffen, diese bei einem möglichen zweiten Teil der Welt-Tour genießen zu können. Die Setlist ließ zwar kaum Grund zur Klage, aber wenn man sich vor Ohren führt, was sie alles nicht gespielt haben ... zum Beispiel: "Kaisarion", "Call Me Little Sunshine", "Twenties", "Ghuleh/Zombie Queen". Also, bitte mehr davon.
1 Kommentar mit 2 Antworten
"Satanic Pop Metal in der Schweizer Metropole"
Dieser Satz sagt alles, aber auch wirklich alles über das aktuelle musikalische Zeitgeschehen und die Ansprüche, die man daraus ableiten kann und sollte, aus.
... ich dachte auch immer, ich müsse alles miteinander kombinieren, um alle zufrieden stellen zu können. Ist ja auf den ersten Blick auch logisch. Bis mir mal jemand sagte: "sind Sie vielleicht mal auf die Idee gekommen, dass die anderen es gerade mögen, wenn Sie mal nicht angepasst sind oder nicht in eine Schublade passen (z.B. links sein aber trotzdem rechtsstaatlich, ggf. sogar konservativ denken)?"
Zum Punkt Metropole:
Vor vielen, vielen Jahren war ich mal in der Nähe von Luzern in einer Kneipe abends, Roadtrip, hab mit den Leuten einen getrunken, bin später nochmal mit in irgendeine andere Spelunke, bis mich (endlich mal) jemand fragte, wo ich eigentlich herkomme. Nachdem ich ihm sagte, ich komme Frankfurt am Main, meinte er nur lapidar: "Ah, das ist da oben irgendwo, stimmt's?"
Will sagen: Wir sind unsere eigene Kategorie.
Naja, man könnten nun gerade im Fall von Forge auch argumentieren, dass er eben nicht alle zufrieden stellt, dann das Geheule angesichts der sogenannten "Pop"-Anteile ist groß. Bei genauerem Hinhören ist daran auch herzlich wenig "Pop", sondern es sind eben glasklare 80er-(Hair)Metal und Rockreferenzen. Zumindest hab ich Journey jetzt eher selten als klassischen "Pop" wahrgenommen. Wir bewegen uns hier, trotz der das Gegenteil suggerierenen Bühnenoutfits, einfach sehr weit weg vom üblichen evil Schwarzkittel-Sound. Wer Band, Musik und Inszenierung ernst genommen hat und nun enttäuscht ist, dem ist aber eh nicht zu helfen. Egal ob in FFM (Ei Gude!) oder Schweizer Spelunken.