Unser Hauptstadt-Korrespondent über den Abbruch des Berlin Festivals, 20 Jahre Ninja Tune und Roboter-Liebesbeweise.
Berlin (mma) - "Das ausverkaufte Berlin Festival versprach, ein tolles Fest zu werden." Mit diesen Worten setzen die Veranstalter letzten Samstagvormittag an zu einem Aufsatz, der erklären soll, warum sich die zweite Flughafen-Tempelhof-Auflage des Festivals zu einem mittleren Desaster verwickelte.
Wenige Stunden zuvor, um 2.30 Uhr, hatten die Organisatoren die 20.000 Besucher nach Hause geschickt. Grund war ein Stau vor der Besucherschleuse zum Hangar 4, wo eigentlich 2manydjs und Fatboy Slim zum Finale des Tages aufspielen sollten.
Noch mal die Vorgeschichte: Einige hundert Festivalgänger strömten nach dem Programmende auf der nebenan befindlichen Hauptbühne zu besagtem Hangar. Weil die Kapazität der Halle jedoch bei nur ca. 4000 Personen liegt, sperrten die Ordner den Zugang ab.
Als sich Druck und Unmutsbekundungen innerhalb der Wartenden erhöhten, cancelte man alle verbleibenden Auftritte des Freitags – die Katastrophe von Duisburg im Hinterkopf, sollte der Sicherheit der Besucher Vorzug gegeben werden. In weiterer Konsequenz aus dem Andrang auf die Schleuse zum Hangar wurde zudem das Samstagprogramm zusammengekürzt.
Planungsfehler und ungeordneter Rückzug
"Wir haben unterschätzt, dass so viele Leute so lange bleiben", bemühte sich Stefan Lehmkuhl bei der Abschlusspressekonferenz zur Berlin Music Week um eine hinreichende und zufriedenstellende Erklärung.
Warum es nicht abzusehen war, dass bei einem erstmals ausverkauften Großevent mit zwei großen Popnamen die wenigsten das Gelände vorzeitig verlassen würden, bleibt allerdings rätselhaft. Einem Großteil der zahlenden Zuschauer blieben damit der Zugang zu den Lieblingsacts sowie insgesamt 3,5 Stunden Programm verwehrt.
Neben dem eklatanten Planungsfehler wirkt auch der Umstand merkwürdig, dass etwa die Schleuse zum Hangar 5 im Vorfeld des Caribou-Gigs ebenfalls viel zu lange geschlossen blieb, obwohl doch in der Halle selbst noch Platz für mehrere hundert Besucher vorhanden war.
Auch hier scheint die Organisation durch die Melt!-erfahrene Intro Beteiligungs GmbH bzw. das Zusammenspiel mit den Sicherheitskräften nicht funktioniert zu haben.
Großer Unmut auf Facebook
Dritter großer Kritikpunkt bleibt der zusammengestauchte Samstag. Via Webseite hatte man die Änderung in der Running Order kurzfristig angekündigt, wovon natürlich nicht jeder rechtzeitig erfuhr. Vor Ort galten zudem schon wieder andere Zeiten als behauptet, und auch die zur Timetable umfunktionierte Ankunft-/Abflug-Tafel aktualisierten die Verantwortlichen am Samstag gar nicht mehr.
So weckten sie den Eindruck, hier nur noch schnell Dienst nach Vorschrift durchziehen zu wollen. Außerdem verpassten die 20.000 erneut zahlreiche Favoriten. Denn weil der zweite Festivaltag schon um 23 Uhr enden sollte, um der ach so unkalkulierbaren "Besucherdynamik" Herr zu werden, spielten viele Lieblingsbands zur gleichen Zeit.
Als es dann um halb zwölf auf dem LCD-Display auf der Geländemitte lapidar "Sorry, danke, bis 2011" hieß, war die Stimmung ohnehin schon nicht mehr zu retten. Das angekündigte Nachholkonzert mit den ausgefallenen Acts dürfte wenig mehr als ein netter Versuch sein, den größten Imageschaden für das Berlin Festival abzuwenden, schließlich stammten nicht wenige Besucher von weit außerhalb Berlins.
Der einzig plausible Weg aus der PR-Havarie dürfte eine zumindest teilweise Rückerstattung des Eintrittspreises sein. Sonst steht das Open Air für 2011 schon jetzt unter einem weniger guten Stern. Der Unmut über die Fehlabläufe in Tempelhof entlädt sich aktuell unter anderem auf der Facebook-Seite des Festivals.
Roboterliebe mit Amon Tobin
Erfreulicher als das Open Air-Wochenende ist das großartige Fanvideo zum Track "Esther's" von Amon Tobin. Das gute Stück war erstmals auf dessen schon 2007 veröffentlichten Album "Foley Room" enthalten und steht ab sofort auf Tobins Homepage zum freien Download zur Verfügung.
Der Dating-Clip der etwas anderen Art geht auf den belgischen Regisseur Charles De Meyer zurück. Es wurde bereits im Frühjahr von den Label-Verantwortlichen von Ninja Tune auf einer Pressekonferenz anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Londoner Plattenfirma präsentiert und ist Teil der Feierlichkeiten rund um das Boxset "Ninja Tune XX".
So finden im September gleich zwei Konzerte in Berlin statt. Am 24. September laden The Cinematic Orchestra, Andreya Triana Trio feat. Fink & Bonobo sowie Dorien Concept ins Astra in Friedrichshain. Am Tag darauf spielen The Bug, Bonobo, King Cannibal und Strictly Kev aka DJ Food. Austragungsort ist das Icon im Prenzlauer Berg, dem der Senat kürzlich die Konzession entzogen hat und das deshalb voraussichtlich Ende des Jahres schließen muss.
Berlin-Korrespondent Matthias Manthe berichtet in seiner wöchentlichen Kolumne über Themen, die wir gegen seinen ausdrücklichen Wunsch "indie" nennen. Feedback und Anregungen gerne direkt an matthias@laut.de.
1 Kommentar
Boaah! Wie kann man denn ein Festival -bei dem man ja schon vorher weiss wieviele kommen- derart in den Sand setzen.
Ich schätze mal diejenigen die da waren gehen 2011 wohl lieber woanders hin.