Ein bisschen Stadion, ein bisschen Studentenkeller. Irgendwo zwischen Emo, Indie und Abriss.
Konstanz (drö) - Dass der Abend schon vor dem ersten Gitarrenriff seine erste Pointe parat hatte, lag an einer Freundin, die sich spontan entschloss mitzukommen. Kurz ein Ticket über Kleinanzeigen organisiert – und kaum eine Stunde später schreibt ihr die Band, auf ihr Follow und ein paar gelikte Bilder hin, persönlich via Instagram: "Hey Girl, you're in luck. What's your full name? We can put you on the guestlist xoxo." Ein glücklicher Zufall, der leider etwas zu spät kam.
Fan-Nähe? Marketing? Oder einfach der dezente Hinweis, dass im ausverkauften Kulturladen noch Luft nach oben war? Man möchte glauben, es war einfach nur nett gemeint. Und das war es vermutlich auch – charmant, direkt, ein bisschen unbeholfen. So wie vieles an diesem Abend.
Ab 19 Uhr öffnet der KuLa in Konstanz seine Türen, rund 450 Leute sollen es am Ende werden. Schon früh füllt sich der Raum mit einer bunt gemischten Crowd: Kutten tragende Fans, junge Familien, Studierende. Der Altersdurchschnitt bleibt jung, die Stimmung ist offen, neugierig, aufgeladen. Erste Gruppen sichern sich ihre Plätze direkt vor der Bühne, andere lümmeln entspannt auf den Treppen oder holen sich Drinks an der Bar.
Die rote LEAP-Neontafel taucht den Raum bereits in schummriges Licht – es ist angerichtet.
Um Punkt 20 Uhr eröffnen die Krefelder Crimson Bloom den Abend, eine Vorband mit Energie und Potential. Zwischen den eigenen Songs gibt's eine rockige Version von "Message In A Bottle". Der Sänger nuschelt zwar zwischen den Songs munter vor sich hin, aber was er an Ansagen verliert, macht er gesanglich wieder wett. Hammer Auftakt, keine Zeitverschwendung, das Publikum hat die junge Band auf ihrer Seite.
LEAP betreten um Punkt 21 Uhr die Bühne: Lederjacken, Sonnenbrillen, Bierflaschen – das ganze Indie-Paket. Das Publikum kreischt, streckt die Hände nach oben: der Charisma-Faktor ist da. Der Sound: Post-Indie trifft auf Emo-Rock mit einem Hauch von Stadionpathos. Schon die ersten Songs machen klar, wohin die Reise auf der "Downfall"-Tour geht. Vier Songs später ist der Raum dann auch wirklich warm. "How we feel about a moshpit?", fragt Sänger Jack Balfour Scott, bevor er bei "Vision Of Us" kurzerhand selbst reinspringt – Mikro inklusive. Jetzt hüpft auch der letzte Stehrang mit. Die Bars sind plötzlich leer – man will Teil davon sein, nicht Zaungast auf einer der Emporen.
"Over And Out", eine neue, progig aufgeladene Single, entfaltet live mehr Druck als auf Platte. Besonders auffällig: das energetisch-grungeige Gitarrenspiel (leider etwas zu leise abgemischt) und ein Drummer, der die Indie-Grenzen live locker hinter sich lässt.
Zwischen den Songs geht's mal mehr, mal weniger ernst zu. Von "Was geht oida", "Alles fucking klar" in schlechtem deutsch, bis hin zu emotionalen Worten ist alles dabei. Drummer Hector Cottam verweist auf seine innige Beziehung zum Frontmann, beide seien seit der Kindheit eng befreundet. Und auch um die mentale Gesundheit Scotts geht es kurz: die bipolare Störung, die Klinik – all das sei Teil der LEAP-Lyrics.
Zwischendurch teasert die Band auch ihr neues Album an: es erscheint am 3. Oktober, ohne Label, im DIY-Familienbetrieb. Die Vorfreude wirkt ehrlich, der Stolz echt. Selbst ein bisschen Eigenwerbung nimmt man ihnen da nicht übel. Bei "Fistful Of Money" wird's fast emotional: Das Publikum singt mit, nicht laut, aber dafür zahlreich. Auch der einstige Pandemiesong "Sleepwalker" trifft in Konstanz endlich auf seine Crowd. Als die Band mit "Exit Signs" den letzten regulären Song anstimmt, werden noch einmal alle Handykameras gezückt. Kaum sind LEAP von der Bühne, fordern die Fans Zugabe – und bekommen sie: Zwei letzte Songs, Crowdsurfer inklusive. Mit dem Klassiker "Energies" machen LEAP final dicht, bereit zum meet and greet abseits der Bühne.
LEAP liefern in Konstanz eine Show, die zeigt, dass es keine riesigen Bühnen oder Label-Budgets braucht, um Menschen zu bewegen. Das hier ist kein Hype: das ist ehrlich, laut, berührend und nah. Eine Band, die keinen Trend bedient, sondern eine Bewegung mitträgt.
Und manchmal reicht ein eBay-Ticket für eine Mittwochabend-Erinnerung, die bleibt.
Noch keine Kommentare