Die Rock-Ikone ist mit 76 Jahren gestorben. Mit dem Black Sabbath-Frontmann verliert der Metal eine seiner schillerndsten Figuren. Ein Nachruf.

Birmingham (gbi) - Seine Autobiografie von 2010 leitet Ozzy Osbourne ein mit den Worten: "Sie sagten, ich würde dieses Buch nie schreiben. Zum Teufel mit ihnen. Hier ist es. Jetzt muss ich es nur noch schaffen, mich an irgendetwas zu erinnern." Blättert man um, heißt es: "Verdammt. Ich kann mich an nichts erinnern."

Diese kurze Passage ist durch und durch Ozzy. Der Mann, der am 22. Juli im Alter von 76 Jahren im Kreise seiner Familie verstorben ist, war nicht "nur" ein Musiker, der mit Black Sabbath Anfang der Siebzigerjahre den Heavy Metal aus der Taufe gehoben hat. Nein, Ozzy war vor allem eines: ein geborener Entertainer, mit mehr Humor und Selbstironie als manch ein Comedian.

Ein Wunder auf dem schwarzen Thron

Nur Wochen vor seinem Tod hatte Ozzy am 5. Juli in seiner Heimatstadt Birmingham ein gefeiertes Abschiedskonzert gegeben. Wegen der gravierenden gesundheitlichen Probleme, die ihn die letzten Jahre ans Bett gefesselt hatten, grenzte dies an ein Wunder. Schwer gezeichnet, kämpfte sich der Sänger erst durch ein Soloset und spielte danach vier Songs mit Black Sabbath. Das alles auf einem schwarzen Thron sitzend. Er, der sonst immer wie ein Wahnsinniger über die Bühne gewetzt war. Aber es ging nicht anders.

Das Motto der Sause: "Back To The Beginning". Es war schließlich das erste Mal seit 20 Jahren, dass die Urformation von Black Sabbath auf der Bühne stand, respektive saß. Rund 45.000 Fans aus aller Welt nahmen im ausverkauften Villa Park Abschied von einer Legende (oder besser gesagt: von zwei Legenden), das ganztägige Vorprogramm war vollgepackt mit Schwergewichten wie Gojira, Alice In Chains, Tool, Guns N' Roses, Pantera, Slayer und Metallica. Ozzys Abschied wurde zu einem der größten Events der Rockgeschichte, der Anlass spielte auch noch rund 200 Millionen Dollar für wohltätige Zwecke ein. Der fucking Prince Of Darkness verabschiedete sich mit einem fucking Bang. Fuck yeah! Es war der fulminante Schlusspunkt für eine schlicht unvergleichliche Vita.

Vom Klassenclown zur Rockikone

Das Licht der Welt erblickte Ozzy am 3. Dezember 1948 als John Michael Osbourne im englischen Aston bei Birmingham. Schon in der Schule entdeckte er seine Begabung, andere zu unterhalten, und ging in der Rolle des Klassenclowns auf.

Als er mit 15 Jahren die Schule schmiss, dachte Ozzy, er werde den Rest seiner Tage mit schlecht bezahlten Fabrikjobs verbringen. Doch dann gründete er 1968 mit anderen Jugendlichen die Band Polka Tulk Blues Band, die später zu Black Sabbath wurde: mit Ozzy als Sänger, Tony Iommi an der Gitarre, Geezer Butler am Bass und Bill Ward am Schlagzeug. Die vier Jungspunde wollten eine Antithese zum Flower-Power-Sound der damaligen Zeit schaffen. Was ihnen auch gelang: Düster, scheppernd und bedrohlich klang schon ihr "Black Sabbath" benanntes Debütalbum von 1970. Zusammen mit den okkulten Texten bildete es eine Blaupause für alles, das bis heute unter dem Banner Heavy Metal und all dessen Unterkategorien fabriziert wird.

Gemeinsam nahmen sie acht Alben auf. Doch das Leben auf Tour und zunehmende Drogenexzesse, dokumentiert in Songs wie "Sweet Leaf" (über Cannabis) oder "Snowblind" (Kokain), zehrten am Bandgefüge. Allen voran Ozzy versank zunehmend im Sumpf. Irgendwann reichte es seinen Mitstreitern, sie setzten den Sänger 1979 vor die Tür.

Jabba the Hutt und die verdammte Fledermaus

Ozzy war am Boden zerstört, verlor sich in einer wochenlangen Orgie aus Alkohol, Drogen und fettiger Pizza. Irgendwann waren "meine Titten größer als die des großen, übergewichtigen Bruders von Jabba the Hutt", erinnert er sich in seinen Memoiren. Dass er nicht nur neuen Lebensmut fasste, sondern auch eine eindrückliche Solokarriere hinlegte, verdankte er einer gewissen Sharon Levy. Die Managerin nahm sich des gefallenen Rockstars an, heiratete ihn 1982 und durchlebte mit ihm zahllose Höhen und mindestens so viele Tiefen. Den Übernamen "Madman" hat sich Ozzy redlich verdient.

Ja, all die Legenden sind wahr: Ozzy biss tatsächlich einer Fledermaus den Kopf ab (und musste sich danach gegen Tollwut impfen lassen). Und in einer seltsamen spontanen Eingebung biss er auch noch einer Taube den Kopf ab, während eines Meetings mit Labelbossen, wohlgemerkt. PETA-Ehrenmitglied wird man so nicht. Aber genau solche Anekdoten festigten schon zu Lebzeiten Ozzys Ruf als Legende. Dank eines Händchens für die Verpflichtung talentierter Musiker überflügelte er als Solokünstler in den Achtzigerjahren sogar seine alte Kapelle. Und das, obwohl er vor lauter Suff und Drogen kaum wusste, wo ihm der Kopf stand.

So mancher Tiefpunkt im Leben

Im permanenten Rausch gedieh freilich nicht nur Lustiges, was Ozzy auch nie verschwieg. Seine erste Ehe mit Thelma Riley verlief alles andere als harmonisch. Sie sei ein Fehler gewesen, gestand er rückblickend, den drei gemeinsamen Kindern sei er ein schrecklicher Vater gewesen.

Ein neuer Tiefpunkt ereignete sich 1989 in Ehe Nummer zwei: Während eines seiner zahlreichen Blackouts versuchte Ozzy, Sharon zu erwürgen. Als er wieder zu Sinnen kam, fand er sich in einer Gefängniszelle wieder. 2017 kamen auch noch Affären ans Tageslicht, worauf sich der Sänger wegen Sexsucht behandeln ließ.

Dritter Frühling dank "The Osbournes"

Sharon hielt trotz aller Eskapaden zu ihrem Madman, als Ehefrau wie als Managerin. Sie war es denn auch, die erkannte, dass ein Kauz wie Ozzy ins Fernsehen gehört. 2002 wurde das traute Heim den Kameras von MTV geöffnet. "The Osbournes" war die erste Reality-TV-Show ihrer Art, ging durch die Decke und ebnete den Weg für all die Kardashians dieser Welt. Über Nacht wurden auch Sharon sowie die gemeinsamen Kinder Jack und Kelly zu Stars.

... und Ozzy? Eine neue Generation lernte ihn als tattrigen, nuschelnden Metal-Methusalem kennen (er gibt die Schuld für seine miserable Verfassung den vielen Medikamenten, die er damals schlucken musste). Das verlieh seiner Karriere noch einmal einen gewaltigen Schub, der bis zu seinem Tod anhalten sollte. 2002 traf er sogar die Queen, was ihn völlig überforderte.

Immerhin: In den letzten Jahren seines Lebens trat Ozzy wieder vermehrt als Musiker in Erscheinung, der 2011 eingeläuteten Black Sabbath-Reunion sei Dank, die mit "13" sogar zu einem neuen Album mit Ozzy am Mikrofon führte. Dem Sänger kam dies mehr als gelegen: Es nervte ihn, dass ihn mehr Menschen aus "The Osbournes" zu kennen schienen als aufgrund seiner Musik.

Beschwerliche letzte Jahre

Doch nach dem vermeintlich letzten Sabbath-Konzert 2017 (ohne Bill Ward) häuften sich die Gesundheitsprobleme. Eine gefährliche Infektion, ein schwerer Sturz, zuletzt auch noch eine Parkinson-Diagnose: Im Alter blieb Ozzy wahrlich nichts erspart. Mit seiner Soloband begann er 2018 noch eine Abschiedstournee, die er aber abbrechen musste.

Obschon er zuletzt schwer krank war, versuchte Ozzy seinen Humor, zumindest in der Öffentlichkeit, zu bewahren, und er machte auch weiterhin Musik: Das 2022 erschienene Soloalbum "Patient Number 9" (mit Gastauftritten von Größen wie Eric Clapton, Jeff Beck und Tony Iommi) bleibt das letzte zu Lebzeiten veröffentlichte Werk. Schlicht grandios, hat es angesichts dieser düsteren Vorzeichen noch mit dem Abschiedsgig in Birmingham geklappt. Eine Ikone wie Ozzy sollte nicht glanzlos abtreten müssen.

"Tot oder im Gefängnis"

Was wohl aus ihm geworden wäre, hätte er nicht mit Black Sabbath Karriere gemacht, wurde Ozzy 2017 in der Radioshow "Full Metal Jackie" gefragt. "Ich wäre wahrscheinlich entweder tot oder im Gefängnis – oder beides", antwortete er mit typischem Schalk.

Nun ist John Michael Osbourne tatsächlich tot. Obwohl er nach allen Regeln der Natur schon mindestens tausendmal hätte sterben sollen, ist das ein Schock. In der Rock- und Metalwelt wird der Charismatiker eine gewaltige Lücke hinterlassen. Ozzy gehörte halt einfach dazu, seit es diese Musikszene gibt. Wenn sich diesem tragischen Verlust wenigstens etwas Tröstliches abringen lässt, dann dies: Musiker:innen, Weggefährt:innen und Fans dürften sich in den kommenden Wochen und Monaten mit zahllosen Anekdoten zu Wort melden, die sie mit dem legendären Charakterkopf erlebt haben. Der Fundus sollte schlicht unerschöpflich sein.

Von Gil Bieler.

Fotos

Black Sabbath

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