Große Sause zum gar nicht mal so kleinen Preis: Tom Morello und Co. bringen ihre Vintage-Tunes an den Rhein. Und liefern, wie bestellt.
Köln (kluk) - Nostalgie – von Sekunde eins an setzen Prophets Of Rage Kurs aufs ewige Gestern. DJ Lord läutet den Abend im Kölner E-Werk mit bunt gemischten Rap-Rock-Cuts ein. Von den Beastie Boys gehts zu "Smells Like Teen Spirit", von LL Cool J bis zu "Enter Sandman". Sind hier überhaupt Metaller im Publikum? Vermutlich, für den heutigen Abend jedoch haben sich Hopper wie Rocker in ihr ausgewaschenes Nineties-Ich gezwängt, den morgigen Tag freigenommen und die Kids noch flink bei den Großeltern geparkt. Alles für einen Abend mit "Killing In The Name".
Prall gefüllt würde sich vermutlich etwas anders anfühlen, doch das E-Werk ist gut besucht. Zwei Tage nach dem denkwürdigen Body Count-Gig im angrenzenden Palladium ist eben nicht der ganze Rest vom Schützenfest bereit, die gut 60 Euro Unterhaltungsentgelt zu entrichten. Während die Anwesenden zum Gespitte Dr. Dres noch über das Golden Age sinnieren, stehlen sich auch schon Tim Commerford, Tom Morello und Brad Wilk auf die Bühne. Dazu: B-Real (senkt den Altersschnitt) und Chuck D (schraubt ihn wieder hoch).
Bitte nicht schubsen, ich habe die Neunziger im Rucksack.
Der gleichnamige "Prophets Of Rage"-Opener Public Enemys heizt die Fritteuse schon mal vor, RATMs "Testify" bringt die Kartoffeln dann endgültig zum Brutzeln. Auch wenn Morello zum Solo gewohnt lässig den Stecker zieht. Der Fahrplan für die nächsten hundert Minuten steht damit fest: Jeder zweite Song ein RATM-Smasher, nie ohne XXL-Kuschel-Pit. Für diesen ist jedenfalls Platz genug, statt wirklicher Brutalo-Dances konzentrieren sich die entfesselten Flashback-Kids nämlich viel mehr aufs Rezitieren der De La Rocha'schen Jahrhundertlyrik.
Dazwischen Verschnaufpausen, gerne in Form von bandeigenen Tracks, die die Wu-Tang-Tank-Top-Träger mit dem wissenden Blick immer wieder aufhorchen lassen: Das ist doch der eine Track da, auch vom ersten Album. Nee, Fehlanzeige, das ist "Hail To The Chief" – gerade mal zwei Jahre alt, mit der Ästhetik von dreißig Jahren Stromgitarre. Aber funktioniert halt so gut.
Politik? Ein bisschen.
2019, das ist nicht die ungezügelte Wut früherer Rage Against The Machine-Konzerte, das ist Freude und Schweiß und mit stolzer Brust propagierte Rap-Rock-Nostalgie. Politik? Ein bisschen. Durchgestrichenes Hakenkreuz auf der Gitarre, die obligatorische Trump-Ansage ist ebenfalls drin. Auch der rote Stern prangt nach wie vor auf dem Backdrop – wird jedoch von einem als Sido verkleideten B-Real in vollster Adidas-Montur überstrahlt. Insane In The Brain. Mindestens so sehr wie die sozialistischen T-Shirt-Preise von 35 Euro.
Prophets Of Rage verbrennen keine Flaggen, sondern Pfunde. Das von Chuck D als "Calorie-Burn-Workout" angekündigte Hip-Hop-Medley mündet in House Of Pain, "Jump Around" ist das Motto der Stunde. Morello grinst vom Bühnenrand. Zufrieden. Dann wieder hoch, letzter Akt. Fuck You, I Won't Do What You Tell Me. Abriss. Licht an. Aus den Boxen betet ein vor zwei Jahren verstorbener Weggefährte zur "Black Hole Sun". Und solange hier auch nur eine Handvoll Melancholiker mitsingen, bleiben die Neunziger erfreulich lebendig.
3 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
B-Real sieht echt aus wie ein pummeliger Sido
Die Preise waren vor zehn Jahren schon arg unverschämt. Kommt aber sicher alles der "Sache" zu gute.