laut.de-Kritik
Frage- und Ausrufezeichen springen im Dreieck.
Review von Kai ButterweckWer Niels Frevert zum ersten Mal hört und sich dabei nur von der Oberfläche berieseln lässt, der parkt den ehemaligen Nationalgalerie-Mastermind schnell im dunklen Keller-Archiv; dort wo all die deutschsprachigen Leid- und Schmerz-Kollegen ihr trauriges Dasein fristen.
Just another Victim? Nur ein weiterer Schluchz-Barde, der ummantelt von melancholischen Singer/Songwriter-Klängen das Leben, die Liebe und sich selbst in die Tonne kloppt? Menschen, die Musik nur nebenbei wahrnehmen, während in der Küche gebrutzelt oder im Supermarkt um die Ecke nach Waschmittel gesucht wird, werden am Schaffen von Niels Frevert sicher keine große Freude haben. Leute hingegen, die richtig zuhören, sich Zeit nehmen und denen aufgesetzte Superlative ein Dorn im Ohr sind, werden sich an Freverts mittlerweile fünftem Soloalbum nicht satthören können.
Hier geht es um die Erfahrungen und Gedanken eines Mittvierzigers, der zwischen verstörenden Telefonaten ("Schwör") extraterrestrischen Fragespielen ("UFO") und hinterfragenden Momenten vor dem Traualtar ("Das Mit Dem Glücklichsein Ist Relativ") nach Antworten sucht.
Popmusik für Erwachsene – besser könnte man Freverts hochintelligenten Melancholie-Trip wohl kaum definieren. Freverts Alltagspoesie entfaltet sich zu einer Kunstform der besonderen Art. Dabei hinterlässt der teils orchestral angehauchte Schmuddelbar-Pop, der sich detailverliebt arrangiert zwischen verschiedenste Dynamiken hindurch schlängelt, deutliche Spuren.
Sätze wie "Deine polnischen Abgänge werden mit jedem Mal formidabler", "Du bist erste Klasse, ich bin zweite Klasse. Wir treffen uns im Speisewagen" oder "Herzlichen Glückwunsch, Sie haben die richtige Tür eingetreten, denn zu Hause ist es immer noch am schönsten und am schrecklichsten" lassen Frage- und Ausrufezeichen gleichermaßen im Dreieck springen.
Wieder einmal präsentiert sich Niels Frevert als Unikat, als ein lyrischer Einzelgänger, der seine Hörerschaft nur allzu gerne auf unbekanntes und vermeintlich brüchiges Terrain führt. Wer ihm folgt, der wird allerdings schnell feststellen, dass keinerlei Sturz- oder Stolpergefahr besteht. Man muss sich halt einfach nur drauf einlassen.
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