laut.de-Kritik
Vor zehn Jahren wäre diese Platte eine Revolution gewesen.
Review von Philipp SchiedelHätte das ganze Album einen so dunkel krachigen Drive wie "Wet To Dance", würde ich es mit Gold aufwiegen. Das ist kein Scherz. Sondern nur das Leiden desjenigen, dem sich diese scheppernden Instrumente mit vor Hoffnungslosigkeit und Wut nur so triefendem Gesang ins Ohrwurm-Abteil seines Gehirns eingebrannt haben.
Keine Frage, die Jungs aus Nova Scotia haben es raus, wie man heutzutage dem ausgelutschten Emo-Core noch eine Prise Indie-Gitarrenbrett drunter rühren kann, damit er wenigstens nicht in diese heulende Schnüff-Liga abdriftet. Feinste Gitarren-Riffs der Marke Superchunk treffen hier auf heulende Schrammel-Arbeit an den sechs Saiten. Voller Breaks und voller unerwarteter Richtungen. Zugegeben, North Of America haben ihren Sound dabei nicht weit von ihren Inspirationen angesiedelt. Macht aber nichts. Rockt auch so.
Warum dann doch kein Gold? Ja, darüber zerbreche ich mir auch schon einige Zeit den Kopf. Vielleicht liegt es an dem allseits beliebten Wiedererkennungsfaktor, den die Kanadier nicht in einem Song abschütteln können. Vor zehn bis fünfzehn Jahren wäre diese Platte eine Revolution gewesen – heute ist sie tausendmal besser als ein müder Abklatsch, aber beim besten Willen auch kein Muss. Die Liste derer, die das genau so gut können, ist lang und macht nicht nur einmal in Washington D.C. Halt.
Vielleicht liegt es auch daran, dass North Of America kein Durchhaltevermögen haben. Grandiose Ansätze sind in jedem Song zu spüren, werden aber immer wieder verspielt. Brüche, Taktwechsel, völlig andere Parts tauchen so plötzlich in einem Song auf, wie sie wieder verschwinden. Das ist ja eigentlich zu befürwortenden, nur muss man dabei wissen, wie man den Song trotzdem am Leben hält. North Of America können einen aber nicht so recht bei der Stange halten. Genau deshalb hätte ja auch nur der Anfang von "Wet To Dance" Gold verdient – wie der Song nach einer Minuten weiter geht, könnte ich nicht vorsummen.
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