laut.de-Kritik
Drama in Zeiten der Digitalisierung.
Review von Mathias LiegmalWas muss man tun, um im zarten Alter von nur 21 Jahren bei Universal gesignt zu werden? Im Fall von Nullsechsroy ist die Antwort denkbar einfach: kiffen, mit den Jungs abhängen und nebenbei die eine oder andere On-Off-Beziehung pflegen. Ach ja, und das Ganze in authentische Lyrics und ein hitlastiges Songwriting verpacken. Irgendwo ist ja dann doch immer noch ein Haken.
Thematisch ist Roy damit nah an aktuellen Deutschrap-Veröffentlichungen, und auch musikalisch kann man seiner neuen EP trotz der Tatsache, dass er in allererster Linie Sänger ist, eine gewisse Trap-Ästhetik attestieren. Diese ergänzen hier wahlweise Grunge-Gitarren ("Fake Love"), Lagerfeuer-Klampfen ("Archivierte Chats", "Flexmeinbaddie") oder 80er-Jahre-Drums ("Lapetitemort"), um dem Gesang auf Produktionsseite Rechnung zu tragen.
Anschließend braucht Nullsechsroy nur noch wenige Schlagworte, um den Hörer direkt in seine Welt zu ziehen, und schon nach wenigen Sekunden ist man mittendrin in einem Beziehungsdrama in Zeiten der Digitalisierung. Facetime-Erinnerungen? Na klar. Tinder-App? Auch dabei. Heimlich verborgene Chats? Sowieso. Gerade diese Buzzwords, die Roy ebenso beiläufig wie zielsicher einstreut, verpassen der schon tausend Mal gehörten "Lippenstift am Hemd"-Geschichte einen neuen Twist.
Auf Dauer strengt der immerwährende Herzschmerz allerdings doch etwas an. Das liegt daran, dass der Protagonist darin nicht gerade die beste Figur macht. Auf der einen Seite räumt er selbst Fehler ein, die er allem Anschein nach aber regelmäßig wiederholt ("Schwach"), und auf der anderen Seite gibt er an, auf "ältere Chayas" zu stehen, "weil kein Bock auf Kindergarten" ("Levi Ackerman"). Trotzdem vertraut er seiner Partnerin natürlich nicht, weil er ja schon weiß, dass alles fake ist. Kommt es dann zur Trennung, ertränkt er die Trauer in erster Linie in Promiskuität ("Fake Love").
Spätestens nach drei Songs kommt man so an einen Punkt, an dem man Nullsechsroy einmal ordentlich durchschütteln und ihn anschreien will, er solle doch jetzt mal endlich seinen Scheiß auf die Reihe kriegen. Ja, schon klar, "Jugendliebe" und so. Funktioniert bei einer Konzept-EP gerade noch, dürfte aber spätestens auf Albumlänge etwas eintönig geraten.
Vielleicht müssen daher tatsächlich noch ein paar Jahre mehr ins Land ziehen, um ein paar mehr Geschichten zu erleben und ein paar Erfahrungen zu sammeln, damit es thematisch noch etwas vielfältiger werden kann. Privat würde man Nullsechsroy dabei durchaus gönnen, diese toxischen Beziehungen in geregelte Bahnen zu lenken. Wenn er auf "Archivierte Chats" sehnsuchtsvoll "Wir schaffen es vielleicht" säuselt, kann man ihm daher nur die Daumen drücken. In musikalischer Hinsicht wünscht man ihm folgerichtig, dass seine Kreativität nicht direkt versiegt, sobald die ungesunden Liebschaften der Vergangenheit angehören. Es wäre schade um so viel Talent.
1 Kommentar
Grundgütiger, ist das beschissen.