laut.de-Kritik
Die Jungs laden zum Saufen am Mix Markt ein.
Review von Frieder HaagPraktischerweise heißt das erste Lied auf Nullzweizweis Majordebüt "Was Ich Mach" und reißt übersichtlich ab, was uns die drei Rapper aus Herzogenaurach zu erzählen haben: "Ja, was ich mach', ist nicht normal / Ich fick' den Track, er geht viral". Noch Fragen? "Suff-Ganger-Modus, Bushocken-Modus / Ironix auf dem Beat, du Fotze, Nullzweizwei in Dauerschleife".
Für die Dauerschleife reicht die Qualität von "Etabliert" dann doch nicht ganz. Spaß macht es streckenweise aber schon: Die 15 Titel sind überwiegend dick produziert, und die Jungs zeigen, dass sie da sind. "Дай мне 2" (Gib mir 2) knüpft nathlos an den Vorgänger von 2019 an. Wurde auf Part 1 noch vom Hunger auf den Benz berichtet, scheint dieser Traum mittlerweile in Erfüllung gegangen sein. "Konto, Minus" spricht zwar nicht für eine verantwortungsvolle Art, mit Geld umzugehen, aber die Welt geht ja eh vor die Hunde. Gönnt euch.
Falls es noch nicht durch das я auf dem Cover oder Teppiche auf der Deluxebox oder die detaillierten Erklärungen des Labels aufgefallen ist: Nullzweizwei haben russische Wurzeln. Leider wird dieses Gimmick für die Promo mehr genutzt als schlussendlich auf der Platte. Natürlich sollen die drei in der Sprache rappen, in der sie sich am wohlsten fühlen, aber mehr als ein Featuregast auf Russisch wäre eine gute Abwechslung gewesen. Inhaltlich ist bei den Texten von Rufuz, Bazu und Sosa meist nicht so viel zu holen. Die 102 Boyz machen vor, dass ein Part auf - in dem Fall - Polnisch einem Track auch für Kartoffelfans ein bisschen mehr Leben einhaucht.
Und die 102 Boyz prägen "Etabliert" durchaus: Chapo102 und Stacks102 sind als Featuregäste auf "1022" vertreten und provozieren dort den direkten Vergleich. Nullzweizwei können bei einem Haudrauf-Track durchaus mithalten, auch wenn insbesondere Chapo runder ins Mikro schreit als die anderen. "10 Flaschen Jacky" setzt auf dasselbe Schema und nimmt einen mit "Alles für nen guten Flex, weil Schampus übel scheiße schmeckt" eigentlich direkt mit. Hört man danach einen Song der Vorbilder, ist der Hype auch eher wieder vorbei. Nullzweizwei sind noch nicht ganz da, wo sie hin wollen, nicht alles wirkt mehr ganz so roh und kantig wie auf den letzten Singles.
Dabei probieren sich die Franken durchaus an anderen Stilen aus. "Bäba" klingt wie ein Carmen-Verschnitt mit Autotune und "Стоп, стой, давай" (Stop, halt, komm schon!) packt zuerst einen Dubstep-Beat aus, um dann ganz zeitgemäß etwas Hardstyle draufzulegen. Finch Asozial und MC Bomber lassen grüßen. Auch "С тобой (Mit Dir)" setzt auf einen Electro-House-Beat. Fernab vom Trap-Hype zeigen sich Bezüge zu Far East Movements "Like A G6". Überraschend, aber unterhaltsam.
Auf den beiden letzten Tracks nehmen die Bande und Produzent Ironix etwas Geschwindigkeit raus. "Im Becher" räumt den Rappern mehr Raum ein, und alle drei glänzen auf dem hypnotischen Beat. "Sorry" ist zwar keine inhaltliche Offenbarung, trotzdem hebt sich die Autotune-Hymne von vielen anderen lieblosen Deutschrap-Songs ab.
Was das Trio dagegen nicht gut macht, ist - neben ein paar Modus Mio-Songs - das Schwesta Ewa-Feature. Unabhängig der Belanglosigkeit des Tracks sollte der verurteilten Rapperin nicht noch extra eine Bühne geboten werden.
"Etabliert" hinterlässt einen gemischten Eindruck. Einerseits solide Raps, andererseits viele Tracks, die eher wie Kopien denn Originale wirken. In den Videos und auf Social Media haben Nullzweizwei jedenfalls Spaß an der Sache. Diesen vermitteln sie über Albumlänge aber nur in einer handvoll Songs.
2 Kommentare
Anti-Musik, die mit meiner HipHop-Sozialisation ungefähr soviel zu tun hat wie "You're beautiful" von Christina A. mit echter Frauenpower
Kann man überhaupt irgendwie "straße" sein, wenn man aus Herzogenaurach kommt? Alles fake! *flizzy-voice*