laut.de-Kritik
Gimme Gimme Saft: Alle Regler auf 11, bitte.
Review von Michael SchuhPraktisch aus dem Nichts waren Odd Couple plötzlich da, türmten sich in voller Montur vor mir auf, drehten die Regler auf 11 und bollerten chefmäßig los. Die beiden jungen Rock'n'Roll-Falken Tammo Dehn und Jascha Kreft sind also flügge und haben ihr Berliner Nest verlassen, um der Republik ihren durchdachten Radau sowie unumstößliche Weisheiten näher zu bringen, wie der Opener verdeutlicht: "Haste Strom Haste Licht". Knips. Stimmt.
Ein wildes Zwei-Akkorde-LoFi-Stakkato bricht herein, die Drums feuern trocken und mit dem Einsatz der Kopfstimmen ("Strooooooom") fühlt man sich als dauerdürstende Thekenschlampe aus dem Stand so wohlig umarmt wie seinerzeit vom EODM-Debütalbum, Hives-Antrieb und breitbeiniger Gröl-Refrain inklusive. Und wo Jesse Hughes dem anderen Geschlecht hinterherhechelt, erobern Odd Couple mit klaren Statements unsere volle Aufmerksamkeit: "Da wo der Baum steht, könnte mein Hotspot sein!" Hell Yeah!
Odd ("seltsam") ist auch der Sound. Lässt "Haste Strom Haste Licht" noch auf eine funkelnde Rock-Platte schließen, wird später plötzlich gerappt ("Très Mello") oder spacigen Keyboards für einen Krautrock-Exkurs der Vortritt gelassen ("Orbit Traveller"). Das alles passt erst mal nicht recht zusammen, aber nach und nach erschließt sich das Konzept. Kennt man so ähnlich ja schon von De Staat. Erlaubt ist, was ordentlich fönt.
Für die 14 Songs hat das Duo 13 Instrumente benutzt, was sich anstrengender liest als es klingt. Nur manchmal strapazieren Odd Couple das Verständnis für ihren guten Ansatz auch ein wenig über, etwa im träge dahinfließenden "Gehirnkasten", wo man die Zeile "Ich hab einfach keine guten Ideen mehr, weißt du?" fast schon unterschreiben will, oder dem an unnötig verzerrtem Stimmeffekt leidenden Titeltrack, ansonsten eine lupenreine Brant Bjork-Coverversion. Dennoch sind 14 Songs für ein Debütalbum natürlich eine ordentliche Ansage, da kann nicht alles gelingen.
Schließlich legen Odd Couple die Latte ja selbst so hoch: Neben dem Opener zählt der Boogie-Groove von "Gone Solid" zu den großen Momenten von "Flügge", der das Duo dann endgültig als EODM-Fans enttarnt, wird doch die andersartige Ausstrahlung besungen, die die Abnahme eines Bartes zur Folge haben kann. Ebenfalls gelungen: Der Psychedelic-Rap "Très Mello", der sich unseren Zeiten des Informationsüberflusses widmet ("How do you wanna know what is real, Honey? Let's go online then you can choose out of it").
Unter den Augen von Produzent Kai Blankenberg (Tele, Tocotronic), der in den 90ern bei der Indie-Band Subterfuge aktiv war, gelingt Odd Couple ein schillerndes Werk, das an vielen Stellen den in "Tubes & Wires" ausgegebenen Befehl beherzigt: "Move your hips to the beat and dance, Baby!"
1 Kommentar
Debutalbum? Das ist das zweite Album von Odd Couple, aber das Erste unter Vertrag. Das erste Album ist übrigens sehr zu empfehlen.