laut.de-Kritik

Stagnation bei geringer Fallhöhe.

Review von

Drei Alben haben Of Mice & Men nach ihrer Neuformierung 2016 inzwischen rausgefeuert. Darunter kein missglücktes Experiment, sondern stets solider bis guter Metalcore, der treue Fans bei Laune hält und allen anderen zumindest ein anerkennendes Nicken abringt. Gleichwohl bleibt das kettensprengende Statement aus, das den gewohnten Standard noch mal auf links dreht. Stattdessen Stagnation auf geringer Fallhöhe.

Über "Tether" schwebt also die Frage, ob sich die wohlige Komfortzone doch noch mal aufbrechen lässt. Im Stile eines Openers erwacht "Integration" nur langsam aus einem tranceartigen Zustand. Der Einstieg lässt die Frage damit unentschlossen sphärisch im Raum stehen. Als Bassist, Shouter und Sänger in Personalunion reißt Aaron Pauley das Geschehen zwar gewohnt souverän, zuweilen aber auch indifferent an sich. Vielleicht steht auch die ungleich verteilte Verantwortung am Ende einer Weiterentwicklung im Weg?

Nach verhaltenem Beginn erhöht "Warpaint" merklich die Schlagzahl. Lehrbuchmäßig mischen sich warme Melodien in den ansonsten brettharten Vortrag. Ganz beiläufig wird die Double Base gezückt. Schlägt man Metalcore im Duden nach, findet sich genau das. Dennoch hat selbst dieser auserkorene Wachmacher Probleme, sich mit Nachdruck aus der Belanglosigkeit zu lösen.

Das nachfolgende "Shiver" dreht sich sogar noch mal zur Seite, um weiter zu dösen. Chance vertan. Erst "Eternal Pessimist" holt aus netten Ansätzen endlich mehr raus. Aus einem Techno-Interlude heraus entfaltet der Track eine wachrüttelnde Dynamik, gibt sich aggressiv und bereit fürs Mosh-Pit. So könnte es gehen.

Ähnlich gut geschrieben, aber ganz anders mit Leben gefüllt, knüpft "Into The Sun" nahtlos daran an. Weil hier verspielte Gitarrenharmonien gemeinsam mit Pauleys gesanglichen Stärken im Vordergrund stehen und der shoutende Gegenpart lediglich als dramaturgisches Moment zur Geltung kommt, entwickelt das Ganze mehr Kontur. Ergo, die Gewichtung von Melodie und Härte macht den Unterschied.

Eine Erkenntnis, die zugleich die Sehnsucht nach mehr weckt, aber auch andeutet, dass Of Mice & Men gehörig im Korsett des Metalcore feststecken. Stellvertretend dafür steht Aaron Pauley, der zwar die harte Gangart ohne Störgeräusche beherrscht, sich aber im Klargesang einfach ungezwungener austoben kann. Auch der leichtfüßige Titeltrack zur Platte liefert gute Argumente für diese These.

Bis auf die ausgewiesene Hit-Single "Castaway" plätschert der Rest der Spielzeit unauffällig vor sich hin. Wer also Hoffnung hatte, dass "Tether" doch noch mal ins Risiko geht und dem guten Fundament mehr Würze verpasst, darf wieder einigermaßen desillusioniert Platz nehmen. Nur selten gelingt es den Kaliforniern über zehn Songs hinweg, mehr zu sein als die Summe aller Vorurteile, die dem Metalcore als Genre per se anhaften. Zu berechenbar vereinen sich melodische und wüste Anteile zu einer stimmigen, aber eintönigen Mixtur ohne Nachhall.

Zugegeben, das klingt verdammt kritisch für drei Punkte und soll keineswegs schmälern, dass Of Mice & Men auch diesmal wieder viel richtig machen. Gemessen am Potenzial reicht das nur leider nicht aus, um die Konkurrenz herauszufordern. Ein Track wie "Into The Sun" deutet an, wie sich der ewige Kreislauf durchbrechen ließe. Mehr Melodie, weniger Metalcore. Kenne deine Stärken!

Trackliste

  1. 1. Integration
  2. 2. Warpaint
  3. 3. Shiver
  4. 4. Eternal Pessimist
  5. 5. Into The Sun
  6. 6. Enraptured
  7. 7. Castaway
  8. 8. Tether
  9. 9. Indigo
  10. 10. Zephyros

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