laut.de-Kritik
Finger weg vom Alkohol!
Review von Manuel BergerMuss man zu einem Onkel Tom-Album eigentlich noch etwas schreiben? Geht halt ums Saufen, ne? Ohne alkoholhaltiges Getränk in der Hand sind die Songs quasi unhörbar – jedenfalls die des ersten Kapitels von "Bier Ernst": "Bier". Auf "Ernst" herrscht musikalisch wie textlich etwas mehr Anspruch und weniger gewollte Stümperei. Für eine Empfehlung reichts trotzdem nicht.
Ein wenig Respekt nötigt es allerdings schon ab, dass Onkel Tom noch immer "neue" Wege findet, dem Alkohol zu huldigen. Trotz des inzwischen ansehnlichen Backkatalogs hat er ein Dutzend weitere Saufsongs – teils Eigenkompositionen ("Jacky Cola"), zum Großteil aber Coverversionen von Barstandards ("Trunkenbold", "Bier, Bier, Bier Ist Die Seele Vom Klavier") – herangeschafft.
In wenigen Momenten ist das Prinzip Schunkelschlager in Metal und Punk zu übersetzen, immer noch amüsant – etwa wenn aus Heinos schwülstigem "Bier, Bier, Bier" ein garstiger Moshpit-Garant wird. Zumeist endet der Ansatz aber in wilden Kloppereien und Gegröl, dessen Mehrwert gen Null geht. Im holprigen "Ich Steh' An Der Bar Und Ich Habe Kein Geld" unterscheidet Onkel Tom nur des Bandkopfs Reputation von besoffenen Dorffest-Punks.
In der zweiten Albumhälfte weichen die wohl bewusst amateurhaft gespielten Gitarrenleads und das Punkgeschrammel aber solideren Kompositionen und komplizierteren Riffs. Der Sodom-erfahrene Angelripper lugt hervor. "Ich Finde Nur Metal Geil" ist kein Rumpelschlager mehr, sondern ein ausgewachsener Thrash-Song. Mit "Von Arschlöchern Für Arschlöcher" und "Zwischen Emscher & Lippe" finden sich gar zwei Balladen. Eine entschleunigte Kindheits-Reflektion vom Saufbold kommt doch angenehm überraschend.
Auch wenn bestimmt nicht als solches intendiert, verfasst Onkel Tom mit "Ernst" ein Plädoyer dafür, lieber die Finger vom Alkohol zu lassen. Denn qualitativ liegen zwischen den Songs der beiden Albumhälften Welten. Die Riffs des nüchternen "Ernst" klingen zwar nach Sodom-Resterampe, aber reichen immerhin für durchschnittliche gute Songs. Dessen Highlight markiert das Slayer-lastige "Auf Dünnem Eis".
Irgendwie bezeichnend ist, dass sobald "Ernst" mit "Das Blaue Buch Des Lebens" doch noch seine Alkoholinfusion bekommt, die Qualität schlagartig wieder absinkt. Der langweilig aufgebaute Punk'n'Roll mit Onkelz-Riff sehnt sich geradezu nach der Skip-Taste. Oder noch besser: CD auswerfen. Denn eine Rüpelversion von Extrabreits "Polizisten" braucht wirklich niemand.
Als "vielseitiger und eigenständiger denn je" beschrieb sich der Onkel in der Albumankündigung selbst. Das unterschreibe ich sofort. Nur leider retten eine Handvoll guter Stücke kein 21-Song-Album.
1 Kommentar
nachdem wir lemmy gsd streichen konnten, wird mir umso deutlicher, dass onkel tom dringend der nächste sein sollte. oder wenigstens einer der nächsten...