laut.de-Kritik

Orient trifft auf Okzident, Tanzdrang auf Lakonie.

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Ein Rauschen. Ein Wummern. Dann erhebt sich ein Riff, das sich sofort und unwiderruflich ins Hirn des Hörers brennt. Sobald die unkonventionellen Drums einsetzen, sitzt man aufrecht, spätestens mit dem sanften, doch bestimmenden Gesang ist man vollends gebannt.

"Power To The Women Of The Morning Shift": Der Vorreiter des Debüts der jungen Band mit dem skurrilen Namen Oum Shatt, geisterte durchs Netz und sorgte unter den Glücklichen, die darauf stießen, für Interesse an der 2012 gegründeten Band.

Auf einer knackigen EP präsentierten Oum Shatt im August 2013 ihren eigenwilligen Sound, doch mussten fast drei weitere Jahre vergehen, bis die Band ihren ersten Longplayer vollendete. Auf zwölf Songs laden sie mit ihrem Mix aus treibenden Surf-Rock, verbunden mit arabischen Melodien und Elementen aus Britpop und New Wave, zum Tanz. Durchaus wörtlich zu verstehen, berichten Augenzeugen doch von einer sehr intensiven Show.

Mit ihrem Debüt spielen Oum Shatt jenseits konventioneller Rock-Regeln. Ihre musikalische Bandbreite, vermischt mit den simplen wie kongenialen Texten, nimmt den Hörer sofort bei der Hand. Die Klangkulisse oszilliert zwischen Orient und Okzident, zwischen Melancholie und Tanzdrang.

Die hypnotischen Riffs, bärenstarke Bassläufe und ein hochmotivierter wie unkonventioneller Drummer liefern in Verbindung mit dem nie angestrengt wirkenden, punktgenauen Sänger Jonas Poppe einen Sound, den es in deutschen Musiklandschaft so noch nicht gegeben hat. Es wurde höchste Zeit, das zu ändern.

"Power To The Women Of The Morning Shift" gibt deutlich die Richtung vor, in die sich die Band mit ihrem Debüt bewegt. Auch die nachfolgenden Songs besitzen eine wundervoll erfrischende Dynamik und einen hohen Wiedererkennungswert. Auf "Madame O." spielt Bassist John Donald seine Stärken aus, während Poppe einfühlend, doch distanziert seine einfachen, dennoch ausdrucksstarken Zeilen darbietet.

Heiße Emotionen treffen regelmäßig auf eine fordernde Kälte im Timbre des Sängers, sodass die Band auch auf den folgenden Stücken nicht an Spannung verliert. Das Instrumental "Bangladesh" sticht heraus und beweist, dass Oum Shatt ihr musikalisches Repertoire auf dem Debüt noch längst nicht ausgeschöpft haben.

"Hot Hot Cold Cold" zwingt förmlich zum Tanze, die Stimmvariation Poppes von melancholisch über kühl bis hin zu bisweilen arrogantem Gehabe sorgt einmal mehr für eine große Bandbreite innerhalb eines einzigen Songs.

Spätestens bei "Delta" fällt eine weitere Stärke der Band ins Auge: Die Refrains machen durchweg eine Menge Spaß. Nicht nur das Timing stimmt, auch die Texte geraten schlicht hinreißend: "Touch me, touch me on the cemetery. Taste some wild cherries, generosity", dann ein kleines aber kraftvolles Solo. Mehr brauchen Oum Shatt nicht, um zu begeistern.

"Gold To Straw" eignet sich hervorragend für lange Autofahrten und noch längere Sommerabende. Die kühle Stimme schwingt federleicht ins Falsett. Einmal mehr erinnern Oum Shatt an längst vergangene Tage und wirken wie aus der Zeit gefallen. Talking Heads lassen grüßen. In "Ya Ya Ya" beherrschen arabische Einflüsse das Soundbild, während die Gitarre anfangs treibend, sich im Verlauf des Stücks weiter zurückziehend, schließlich den Synthies weichen muss.

Hier liegt die einzige wirkliche Schwäche der Platte. An manchen Stellen wirken die elektronischen Arrangements übereifrig, teilweise stören diese Kissogram-Relikte das ansonsten sehr stimmige Klangbild. Das Synthie-Intro in "Trains, Trains" schadet beispielsweise einem ansonsten sehr guten Titel.

Ansonsten gelingt Oum Shatt, was wohl jede junge Band verzweifelt versucht. Bei jeglicher "Lakonie", die sie auf der Platte propagieren, bricht sich doch immer die unbeschwerte Lust zu tanzen Bahn, was Oum Shatt gleichzeitig zum Symptom und zur Medizin macht. Sie haben mit ihrem Debüt einen eigenen Sound geschaffen, der eine große Bandbreite an Emotionen abdeckt und vermeintliche Gegensätze elegant miteinander verbindet. Chapeau!

Trackliste

  1. 1. Power To The Women Of The Morning Shift
  2. 2. Madame O.
  3. 3. Hot Hot Cold Cold
  4. 4. Bangladesh
  5. 5. Silent Girl (With A Silly Scarf)
  6. 6. Delta
  7. 7. Gold To Straw
  8. 8. Ya Ya Ya
  9. 9. Trains, Trains
  10. 10. Tripped Up/Laid Low
  11. 11. Fairground Affairs
  12. 12. Lakonie

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