laut.de-Kritik
Ein Klassiker hört sich anders an.
Review von Giuliano BenassiPJ Harvey und John Parish – ein Duo, das die 90er Jahre wieder aufleben lässt, schließlich liegt die letzte offizielle Zusammenarbeit mit "Dance Hall At Louse Point" (1996) schon 13 Jahre zurück. Tatsächlich sind die Karrieren der beiden seit den 80er Jahren eng verwoben, seit ein damals noch schüchternes Mädchen bei dem Gitarristen als Sängerin in seiner Band Automatic Dlamini anheuerte.
Von ihm habe ich das Gitarrenspielen gelernt und habe ihn auch später immer nach seiner Meinung gefragt, erinnert sich die Sängerin auf ihrer deutschen Seite. Parish arbeitete an vielen von Harveys Alben mit, zuletzt als Produzent von "White Chalk" (2007). Gerade aus diesen Sessions entsprang die Idee zur vorliegenden Scheibe.
Es gab da ein Stück, "Black Hearted Love", das etwa fünf Jahre alt war und das wir nie zu Ende gebracht hatten. Ich hatte einen Text dazu erstellt und sagte zu ihm: Das ist ein tolles Stück. Kannst du neun weitere schreiben? Dann machen wir ein Album daraus". Die Arbeitsteilung erinnert demnach an 1996: Harvey steuerte die Zeilen bei, Parish die Musik.
Nach dem doch sehr introvertierten und klavierlastigen "White Chalk" klingt der Opener wie ein Befreiungsschlag: Verzerrte Gitarren und ein wuchtiges Schlagzeug erzeugen eine fast schon paranoide Stimmung, die gut zu Harveys entrückter Stimme passt. Ein Stück mit dem bestimmten Etwas: When you call out my name in rapture / I volunteer my soul for murder / I wish this moment here forever / And you are my black hearted love", heißt es im Text.
Das zweite, "Sixteen, Fifteen, Fourteen", baut auf einem schrägen Mandolinenriff, der an "Battle Of Evermore" von Led Zeppelin erinnert. Eine Nähe, die der Titel des verträumten "Leaving California" noch unterstreicht. Beide hinterlassen allerdings eine ebenso blasse Spur wie das hysterische "The Chair" sowie das episch anmutende "April", mit einer wackeligen Orgel und einer dazu passenden Stimme.
Erst der finstere und verstörende Titeltrack bringt wieder Schwung in die Platte - mit Soundcollagen und Harvey, die sich mit jugendlicher Stimme zu einem "I want to kill his fucking ass" hinreißen lässt. "Pig Will Not" ringt dem Hörer nach dem einlullenden "The Soldier" noch mal Aufmerksamkeit ab, bevor das Album gemächlich zu Ende geht.
Wer mit "White Chalk" nicht viel anfangen konnte, darf sich über das eine oder andere Stück auf diesem Album freuen. Ganz so schlimm wie der Titel des vorletzten Songs, "Passionless, Pointless" ist es zwar nicht, ein Klassiker in Harveys Karriere steht hier aber keinesfalls zu Buche. Schon eher zwei gute Stücke und acht Lückenfüller.
2 Kommentare
nach erstem durchhören ist ganz klar black hearted love mein favorit. irgendwie passt das stück auch nicht ganz zu den anderen, mag an der früheren entstehung liegen. sonst hat mich auch nur a woman a man walked by richtig begeistert, mal gucken wie es nach weiterem durchhören aussieht.
hart, hart das laut. urteil! PJ Harvey macht schon seit langem tolle Sachen. Da ist es nicht z uviel verlangt, dass sich jede/r ein eigenes Hörurteil bildet. Sie verdient es