laut.de-Kritik
Knallbunter New Wave/Synthpop statt Alternativerock.
Review von Luca WisnagrotzkyWas Paramore mit ihrem selbstbetitelten Album vier Jahre zuvor nur andeuteten, wird auf dem Nachfolger konsequent weitergeführt und in breitere Bahnen gelenkt: Richtig, die neue Platte ist ein gediegener Ausflug in die Pop-Sparte. Wer jetzt schon die Hände über dem Kopf zusammenschlägt und klebrigen Bubblegum-Pop à la Katy Perry erwartet, darf gleichwohl aufatmen.
Die musikalische Lobpreisung der 80er ist ja gang und gäbe, wie beispielsweise M83 auf ihrem letzten Release beweisen. Auf diesen Zug springen nun auch die einstigen Emo/Alternative-Rocker auf - ihr fünftes Studioalbum verpackt nachdenkliche, depressiv anmutende Texte in ein knallbuntes Gewand aus New Wave und Synth-Pop. Außer Hayley Williams' facettenreicher Stimme ist kaum etwas vom Sound der ersten Alben "All We Know Is Falling" oder "Riot!" übrig geblieben.
Veränderungen gab es auch im Line-Up: Bassist Jeremy Davis verließ die Band 2015, dafür mischt Drummer Zac Farro nach seinem Ausstieg vor sieben Jahren wieder mit. Bei der Produktion verhält es sich wie beim Vorgänger-Album: Multitalent Justin Meldal-Johnson, bekannt als Bassist von Beck, produzierte "After Laughter" gemeinsam mit Lead-Gitarrist Taylor York. Der prominente Bass von Meldal-Johnson zieht sich eindrucksvoll durch die gesamte Platte und weiß damit auch schwächere Nummern, wie die zweite Single "Told You So", hervorzuheben.
Als Opener tischen Paramore mit "Hard Times" ein synthesizerlastiges, eingängiges Stück gute Laune auf. "Hit me with lightning!", ruft die Sängerin zwischendurch, als erste Single ist der Track die goldrichtige Wahl. Das nachfolgende "Rose-Colored Boy" klingt zuerst nach Cyndi Lauper zu ihren besten Zeiten. Hayleys Stimme kommt wie immer sehr vielseitig, die eingestreute Cheerleader-Parole "Low-key, no pressure, just hang with me and my weather" bleibt im Kopf und gleicht die Schwächen des Refrains aus.
"Forgiveness" markiert die erste langsamere Nummer der Platte. Der Basslauf erinnert an Tears for Fears' "Everybody Wants To Rule The World", das ist auch schon das einzige positive Merkmal des Songs. Dieser klingt zu schnulzig, zu zäh, und die Zeile "But I, I just can't do it yet" beschreibt wohl am besten das erste Hörerlebnis.
Dafür überrascht "Fake Happy" in den ersten Sekunden mit Lo-Fi Sound. Hayley klingt, als ob sie durch ein Telefon singt, und dann sind da plötzlich ausdrucksstarke Synthesizerklänge. Der Pre-Chorus überzeugt melodisch, auch die Strophe, gespickt mit perlenden Gitarrenklängen, macht Spaß ("I'm gonna draw up my lipstick wider than my mouth"), nur der Refrain ist abermals eher schwach: "Oh please, don't ask me how I've been, don't make me play pretend / Oh no, oh what's the use? Oh please, I bet everybody here is fake happy too". Der Song ist eine einzige Achterbahn.
Fans der früheren Alben freuen sich über die Tracks "Caught In The Middle" und "Idle Worship", die wie typische Paramore-Nummern klingen. Ersterer baut im Refrain auf einen Ska-Beat und regt zum Mitgrölen der Zeile "No, I don't need no help / I can sabotage me by myself" an. Letzterer überzeugt mit dem grandiosen Einsatz von Hayleys Stimme, die fast brüchig, aber auch wütend und stark zugleich wirkt. Die merkwürdige Instrumentierung von "Caught In The Middle" ist tatsächlich ein Sample von heulendem Wind durch ein Gebäude, das Gitarrist und Produzent Taylor auf sein Keyboard legte.
Ruhige Töne einer Akustischen begleiten den Track "26" - könnte der gelungene Nachfolger zum Kleinod "Misguided Ghosts" sein? Nein, leider nicht. Streicher unterstützen dramatisch den Chorus - dezent zwar, aber doch zu kitschig. Mit "No Friend" hingegen sorgt die Band am Ende der Platte für Verwunderung - gedämpfte, kryptische Fragmente einer Stimme sind zu hören, genauer gesagt die von Aaron Weiss, Sänger der Post-Hardcore-Band mewithoutYou. Der Track baut auf dem Gitarrenriff von "Idle Worship" auf und sorgt für eine kleine Atempause inmitten des vielschichtigen Pop-Spielplatz.
Sängerin Hayley erklärt die Idee hinter "After Laughter" übrigens so: "Es beschreibt diesen Gesichtsausdruck, wenn man ausgiebig gelacht hat, und dann dieser Moment kommt, in dem man wieder in der Realität ist". Glücklicherweise ist hier der 'Back to reality'-Gesichtsausdruck trotz einiger Schwächen kein bleibender. Paramore sind zwar nicht mehr die vorzeigbaren Emo-Rocker vom "Twilight"-Soundtrack, aber auch keine glitzernden Pop-Sternchen mit Star-Allüren.
6 Kommentare mit einer Antwort
Die ersten Songs von der Platte klangen für mich bisher ganz gut. Mochte Paramore aber auch noch nie wirklich vorher, als Pop Band funktionieren die hingegen recht gut.
Hard Times hat sich vielversprechend angehört. Der Rest ist leider fast nur Schrott in meinen Ohren
Musik für die Tonne. Die Trulla ist aber ganz passabel.
Für ein Popalbum definitiv 4/5
Cover verursacht Augenkrebs und nichts gegen Katy Perry. Weiß gar nicht, ob ich mir das gerade anhören will oder weiter Charli XCX zwischendurch mal pumpe.
Mal wieder nicht erkannt, wie das Album von anderen Kritikern gefeiert wird
Gibt von mir direkt mal ne Nominierung für die nächsten BaudAwards in der Kategorie "Zu kurz gedacht 2017".
Um den Sprung in die Kategorie "(Inter)Nationaler Newcomer Ignoranz" zu schaffen hast du jetzt noch ca. 28,25 Stunden Zeit, um deine Rookiezahl an dämlichen Beiträgen noch ein wenig zu pushen.