laut.de-Kritik
Der Sommermacher in der Komfortzone.
Review von Yannik GölzMan muss den Aura-Moment anerkennen: Vor zwei Jahren sagte Pashanim noch: "Mach' nur einen Song, auf einmal ändert sich das Wetter." Jetzt droppt er eine EP, in der er mehrmals über den heißen Sommer rappt, und prompt steigt die Temperatur in Berlin um zwanzig Grad. Leider ist das wahrscheinlich die größte kreative Errungenschaft von "Grünewürfelflow". Im Intro fragen sie sich noch, was sie denn jetzt anderes rappen sollen, wenn sich in ihren Leben doch nichts verändert habe. So zieht Pashanim den Kurzspieler dann auch durch, aber: Digga, du bist der Künstler. Es ist deine Aufgabe, dir was Neues auszudenken, nicht meine.
Aber gut, es ist nur eine kleine EP zur Überbrückung, und auch ein Pashanim im Autopilot ist noch ein interessanterer Rapper als viele. Er hat schon auch immer noch dieses einzigartige Händchen dafür, genau die richtigen Momente aus seiner Kindheit auszuschneiden und auf moderne Beats zu kleben, so dass daraus sehr plastisch eingefangene musikalische Vignetten entstehen.
"2 Sitza" ist zum Beispiel ganz klar der beste Song hier. Das Sample klingt nach Berliner House-Open Air der späten Nullerjahre, aber filtert das wunderbar oben und unten weg. Man fühlt sich tatsächlich gezeitreist in einen Sommertag in der Hauptstadt, an dem von allen Ecken aus offen Autofenstern, durch die Mauern der Großraumdisko und aus dem Klamottenladen Paul van Dyk oder Kalkbrenner schießen. Pashanim endet die zwei Minuten einwandfreier Vibes mit der Line "Sonne klatscht, ich hol' mir 'ne kleine Pizza", und irgendwie stecken da schon viel gute Beobachtung und viel Szene in simplen Worten.
Aber sonst? Ach, keine Ahnung. Pashanims Nostalgie-trunkene Musik gibt sich gefühlt an diesem Punkt fast ein bisschen zu viel Mühe, so zu wirken, als gäbe er sich keine Mühe. "Niketown", "Babymilo" und "Minimum Prozente" sind Songs, wie Wasser den Fluss hinab. Sie wirken, als hätte man die Einzelteile der alten Tapes neu zusammengeschraubt und noch nicht einmal neu drüberlackiert. Wer alte Pasha-Tapes kennt, kennt diese neuen Songs auch schon.
"Who Do You Love" hat immerhin ein paar solide Lines über eine auseinanderbrechende Beziehung, einen Ton wie ein aktives Gespräch und könnte sowas wie das bittere Gegenstück zu "Mittelmeer" sein. Die Dynamik mit Rapperin Ceren auf "Shabab(e)s Im VIP" gibt auch einen ganz netten Moment her. Offensichtlich ist das alles schön produziert, offensichtlich kann man sich das alles wunderbar geben, und, klar: Eine EP muss man jetzt nicht danach bewerten, ob sie das Rad neu erfindet.
Aber es fällt schon ehrlich schwer, selbst als Fan des Mannes so richtig begeistert von "Grünewürfelflow" zu sein. Okay, Nonchalance und Unangestrengtheit sind sein ganzes Mission Statement, diese Mission erfüllt er. Aber deutscher Rap bewegt sich bekanntlich schnell, und in Berlin wuchsen in den letzten Jahren schon andere Vibe-Zauberer nach, die Pashanim im Falle von langfristiger Stagnation wie auf dieser absoluten Komfortzonen-EP schneller überholen werden, als wir denken. In dem Sinne: Vielleicht sollte er sich vor einem potentiellen nächsten Album etwas ernster selbst fragen, was es Neues zu rappen gibt.
4 Kommentare
Nein, einfach nur nein. Ungehört 1/5
dieses 1 Song/Jahr-Konzept hätte weiter gereicht, hier war ohnehin schon eine Stagnation erkennbar
Macht gut Bock, wenn er auch nicht wirklivh was Neues erzählt. Geht mir einfach mies gut runter. 4/5
Shabab(e)s im VIP ist ein interessanter Banger, der sich wirklich stark vom hart redundanten Rest der EP abhebt.
Das Ding ist, dass das "Ich-rappe-mit-meiner-coolen-Stimme-stylische-Sachen-über-den-Beat-und-sonst-nichts"-Ding von ihm, was halt sein Markenzeichen ist, so langsam seine Strahlkraft, seinen Vibe verliert.