laut.de-Kritik
Deutscher Pop für Kopf und Bauch.
Review von Artur SchulzHier macht schon das Cover neugierig. Knallrot und mit Songtiteln wie "Laue Suppe" und "Männer Ohne Pferd". Dazu springt freudig eine Wildsau ins Auge. Und der Inhalt bestätigt die Hoffnungen.
Pat Appleton gelingt eine ungewöhnliche, deutschsprachige Platte, die die Musikerin selbst ohne Berührungsängste ins Genre Pop verortet. Gepflegtes Understatement, denn die De-Phazz-Sängerin hat richtig was zu bieten.
Der Einstieg gelingt mitreißend. Das "Weißmehl" dampft dynamisch, kraftvoll und funkig in eine Lebens- und Liebensbetrachtung über Paris. Inklusive den dort an allen Ecken lauernden, kulinarischen Genüssen. "Diese Stadt war pures Gold / für meine Hüften", bekennt die Sängerin - keine Furcht vor Pfunden! Mit viel Drive groovt und soult sich Pat über lustvoll sinnlich inszenierten Dance.
"Geborgenheit" zündet als originell getextete und komponierte Liebesballade. Statt Geigenkitsch wabern Jazz-Elemente über wohltemperiert umherschleichenden Bossa Nova. Die Beobachtungen der "Männer Ohne Pferd" sezieren in rockigem Umfeld unausrottbare Macho-Manierismen: mitsamt ihrem ewig jugendlichem Gehabe "fühlen sie sich wie Django / oder wie Piraten / und kommen nur bis Pankow" Ein Blatt vor den Mund nimmt Pat nie.
"Fenstergucker" gerät besonders eindringlich. Der Track behandelt die Neugierde beim heimlichen Blick in ein geöffnetes Hausfenster. Neugierde auf all die Dinge, die sich dahinter abspielen, Hoffnungen, die dort verzagt lauern.
"Leise Sehnsucht / nach mehr Ehre / Bildschirm flackert / aus der Traum" lautet eine ernüchternde Erkenntnis. Behutsam und mit viel Atmosphäre traben dazu dezente Dancefloor-Beats. Eine elektronische Orgel setzt Akzente. Musik für Kopf und Bauch! Diese beispielhaft konzipierte Jazz-Pop-Nummer bedeutet ein absolutes Album-Highlight.
Pat Appleton ist selbstbewusst genug, sich in Sachen Liebe nicht auf eine "Laue Suppe" einzulassen: "Mal Steppenwolf / mal Galan" schwebt ihr eher vor. Als Neo-Chanson konzipiert, formuliert die Wahlberlinerin allerlei Ansprüche an den einen Wahren, den ihr Herz begehrt.
Akustisch entspannt und loungig inszeniert: die Stimmungsbeschreibungen der "Zwei Tage Rügen". Hier verbinden sich überzeugend die Gegensätzlichkeiten von Wehmut und Hoffnung. Mit "Grau" und "Niemals" variiert die Wahlberlinerin noch mal ihren abwechslungsreichen Mix. Im letzten Drittel der Platte schleichen sich dann ab und zu etwas zu viel Ruhe und Entspanntheit ein.
"Mittendrin" präsentiert sich dennoch als gleichermaßen eleganter wie mit Ecken und Kanten versehener Streifzug durch Grenzbereiche von Pop, Lounge, Jazz und Soul. Stimmlich überzeugt die Musikerin mit viel Druck und Energie, aber auch mal mit warm und hauchzartem Gesang. Von den deutschsprachigen Texten, die das gewöhnliche Herzschmerz-Einerlei glaubwürdig hinter sich lassen, ganz zu schweigen.
Noch keine Kommentare