laut.de-Kritik
Morrisseys Feindbilder nach Bayern umgesiedelt.
Review von Martin MengeleMan kennt diesen Perrecy in erlesenem Kreise ja schon seit geraumer Zeit als Morrissey-Imitator mit Ukulele und Anglizismen-Phobie. Jetzt kommt der Mann endlich mit seinem Debüt über den Tisch und geht gleich üppig mit 36 Songs auf Doppelalbum-Länge an den Start.
Imitator war jetzt vielleicht etwas böse - man verzeihe mir diesen Griff, denn eigentlich handelt es sich bei Perrecy um einen Popdolmetscher. Einen, der Populär-Poesie von einer Sprache in eine andere überträgt, was als eine der schwersten Übungen des Übersetzerhandwerks überhaupt gilt.
Wenn es nämlich gelingt, speziell einen Morrissey-Song mit all seiner Metaphorik zu erfassen und diesen dann wieder in sein bereits vorgegebenes Gewand aus Versmaß, Melodie und Rhythmus zu kleiden, ohne dabei die Semantik zu verlieren, dann ist das schon sehr hohe Kunst. Zum Auftakt hat der oberbayrische Liliputgitarren-Barde die Latte extrem hoch angesetzt. Mit "Da Ist Ein Licht Das Niemals Erlischt" nimmt er sich gleich einen der ganz großen Hits der Smiths als erstes zur Brust.
Und scheitert erstaunlicher Weise nicht daran, sondern beweist sogar fast gleichwertigen Wortwitz. Das mag zum einen an der Nähe der englischen Sprache zur deutschen liegen, zum anderen ist es aber sicher Perrecys Gefühl für Melodie und Wort: "Und wenn ein zweigeschoss'ger Bus fährt uns zwei zu Mus / zu sterben mit dir ist so ein himmlischer Exitus." Oder der Refrain des großen Klassikers "Bitte, Bitte, Bitte, Lass Mich Kriegen Was Ich Will": "Lass mich kriegen was ich begehre / Gott weiß, das wär' 'ne Premiere."
Nun, das ist hier nicht Paul Celan, der einen Arthur Rimbaud übersetzt oder Erich Fried einen Dylan Thomas - geschenkt. Und manchmal klingt das schon sehr nach "Reim dich oder ich fress dich", wie beispielsweise bei "Dieser Charmante Mann", wo Perrecy intoniert: "Ich ging gern aus heut' Nacht / doch zum Anziehn hab ich keine Naht." Aber darum geht es hier nicht: Perrecy erntet mit dieser gleichsam charmant wortwörtlichen Herangehensweise zumindest nur freundliche Gesichter im Publikum, die ihn anschmunzeln und ihm wissend zunicken. Das ist gemeinsame Heldenverehrung in Vollendung.
Zudem ist die Wahl der Ukulele als Begleitinstrument, die hier komplett Johnny Marrs respektive Boz Boorers Parts übernimmt, nicht nur die perfekte Weiterentwicklung des Morrissey-Zynismus, sondern ein musikalischer Glücksgriff. Gerade bei "Da Ist Ein Licht, Das Niemals Erlischt" gelingt es ihm auf magische Weise, die recht kitschigen Synthie-Streicher des Originals unter dem Refrain mit einem eigentümlichen Ukulele-Pizzicato aufzupäppeln.
Oder bei der Live-Version von "Manche Frauen Sind Dicker Als Andere", die dank des deftigen E-Bass' zu einem hüftschwungprovozierenden Arschwackelgaranten mutiert. Im Zusammenspiel mit der E-Ukulele ist das besonders bei "Noch Kränklich" trotz exakter Kopie des Ur-Arrangements mindestens genauso originell wie der Twang des Originals "Still Ill".
Aber das eigentlich Geniale an Perrecys Übertragung ist trotz diverser sprachlich verzeihbarer Hemdsärmligkeiten die Überführung Morrisseys originärer Feindbilder in Perrecys deutsche, respektive bayerische Welt: Wo der Meister die britische Monarchie und Aristrokratie kritisiert, nimmt Perrecy Franz Josef Strauß aufs Korn ("Preußisch Blut, Bayrisch Herz"). Oder er transferiert die von den Smiths besungene "Panic" gekonnt in die Straßen von München, Ingolstadt und Kehlheim und lässt Mark Anton anstatt eines "crate of ale" ein Weizenbier öffnen.
So ist dieser wahrscheinlich schrägste Tonträger von 2013 neben ganz großem Entertainment auf jeden Fall genau das Richtige für all jene eingefleischten Fans, die sich einst nur mit ihrem Schulenglisch bewaffnet an Morrisseys Texten die Zähne ausgebissen haben und bei der unlängst erschienenen Autobiographie schon am Klappentext scheitern. Denn jetzt wissen sie endlich alle, dass man mit dem "Velourskopf" guten Sex haben kann, und eben nicht nur bequem auf ihm liegt.
6 Kommentare
Ist ja ganz nett, aber nach 4 Liedern hab ich Kopfweh bekommen.
Blasphemie!
Wuerde ich mir auf Koelsch sofort geben.
Kopfweh bekommen könnte am Luftdruck liegen ...
Und @UnrealFlint: was zur Hölle ist an der Platte blasphemisch?
one does not simply imitate the mozzer!
@dirk.blauton: Haha, "was zur Hölle" kommt in dem Kontext gut. Ist nicht soo bierernst gemeint wie´s rüber kommt, aber ich mag eben die Original-Songs. Coverversionen sind soweit okay, aber ich persönlich brauche sowas wie Perrecy und Konsorten nicht. Gilt auch für J.B.O. - aber alles Geschmackssache.