laut.de-Kritik

Gratwanderung zwischen Kunst und Kitsch in lange nicht gehörter Hochform.

Review von

Pet Shop Boys. Release. Pop. Music. Vice. Versa.
Gut, ich weiß noch, dass Pop vor den Pet Shop Boys da war, aber niemand hat wohl je so vehement für sich in Anspruch genommen, eine Pop-Band zu sein wie Neil Tennant und Chris Lowe. Auf enormem Wissen um Stilästhetik und unschlagbaren Melodien basiert seit nunmehr 17 Jahren die Karriere der Boys.

Weiß man, dass die ergrauten Helden den Pop-Begriff nie über die Mittel, sondern das Ergebnis definieren, verwundert es nicht, dass auf "Release" verstärkt Gitarren zum Einsatz kommen. Mit Johnny Marr wurde sogar ein Pop-Veteran als Gastgitarrist verpflichtet. Die Gratwanderung zwischen Kunst und Kitsch ist Teil des Konzepts, das auf "Release" in lange nicht gehörter Hochform zu Tage tritt. Gleichzeitig ist das neue Werk das homogenste Album seit "Behaviour".

Ausfallschritte zu frivoler 70s Disco ("New York City Boy") und Hooligan-Sottisen ("Go West"), die man ihnen noch immer übelnimmt, wurden vermieden. Mit "I Get Along" ist ihnen dennoch eine neue Hymne gelungen, die fürs Stadionrund einfach zu smart ist. Zusammen mit der tragisch-zarten Ballade "Birthday Boy" kommen die Glanzpunkte des Albums schon recht früh.

Johnny Marr kitzelte keine ungekannten Rock-Vorlieben aus Tennant und Lowe heraus. Vielmehr bereichert er den oft etwas glatt wirkenden PSB-Sound um Tiefe. Wenn Tennant zu Marrs Gitarrenlicks übertrieben gedehnt die Worte "Love Is A Catastrophe" säuselt, wird der Grat zwar wieder verdammt schmal. Aber genau das ist das Großartige an dieser Band. "E-Mail" ist entgegen sämtlicher Befürchtungen ein amüsanter Song über moderne Kommunikation geworden ("Now time and distance melt away, no digital delay").

Freunde Pet Shop Boys'scher Dancefloor-Versuche (die sich einfach deren Maxis zulegen sollten) werden an "The Samurai In Autumn" Gefallen finden, das beinahe rein instrumental ausfällt und sich in einen sphärischen Techno-Feger hinein steigert. Was Lovesongs angeht, haben Tennant und Lowe mit "You Choose" einen ihrer schönsten für "Release" geschrieben.

Introspective Behaviour? Disco Nightlife Actually?
Simply Pet Shop Boys. Vice Versa.

Trackliste

  1. 1. Home And Dry
  2. 2. I Get Along
  3. 3. Birthday Boy
  4. 4. London
  5. 5. E-Mail
  6. 6. The Samurai In Autumn
  7. 7. Love Is A Catastrophe
  8. 8. Here
  9. 9. The Night I Fell In Love
  10. 10. You Choose

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