laut.de-Kritik

Durchhalteparolen aus dem Poesiealbum.

Review von

Sollte sich manch einer kurzfristig über den Split von Rosenstolz gefreut haben, wurde er schnell eines Besseren belehrt. Schlägt man der Hydra einen Kopf ab, wachsen zwei neue nach. Peter Plate legt mit "Schüchtern Ist Mein Glück" vor, bereits nächsten Monat folgt AnNa R. mit ihrer Band Gleis 8.

Während letztere dank ihrer Stimme auf einen Wiedererkennungswert pochen darf, steht der von Burn-Out gebeutelte Plate mit seinem Neubeginn auf schüchternen Beinen. Wer sich ein wenig mit Rosenstolz beschäftigt hat, weiß um dessen arg eingeschränkte gesangliche Möglichkeiten. Neben Christine Westermann und mir dürfte es nur wenige Menschen in Deutschland geben, die schlechter singen können. Nur würde keiner von uns beiden auf die Idee kommen, ein ganzes Album auf die Beine zu stellen. Skepsis im Vorfeld erschien angebracht.

Ganz so schlimm ist es aber doch nicht geworden. Zwar wird aus Peter Plate kein Freddie Mercury mehr, aber es schmerzt lange nicht so sehr wie manch ein Track auf den immerhin zwölf Rosenstolz-Alben. Immer noch wirkt sein Vortrag zum Teil hölzern und holprig, doch insgesamt deutlich hörbarer und flüssiger. Jahrzehntelanges Üben lässt sein überschaubares Talent langsam in die richtige Bahn finden. Oft hilft allein schon die Erkenntnis dessen, was man nicht kann.

An den Songs selbst hat sich freilich nur wenig bis nichts geändert. Schon das letzte Rosenstolz-Album wurde zum größten Teil von Plate sowie seinem ehemaligen eingetragenen Lebenspartner Ulf Leo Sommer geschrieben. Auch die Produktion fand mit Daniel Faust wieder bewährte Hände. Einzig das Prisma AnNa R. gehört der Vergangenheit an. So führt "Schüchtern Ist Mein Glück" unweigerlich näher als je zuvor an den Menschen Peter Plate.

Doch spätestens seit "Macht Liebe" steckt Plate im immer gleichen Balladensumpf fest, in dem sich nur noch Nuancen ändern: So stehen vier Uptempo-Nummern acht ruhigen Stücken gegenüber. Zwischen dem immer gleichen Aufbau, den selben verblassten Bildern, beliebigen Arrangements und vorhersehbaren Akkordwechseln geht den Liedern jegliche Identität verloren. Ein gleichförmiger Brei, der nur durch kleine Spielereien wie ein Dreivierteltakt hier ("Schüchtern Ist Mein Glück") oder ein Militärrhythmus da ("Bist Du Ok?") durchbrochen wird.

Hinzu gesellen sich Durchhalteparolen aus dem Poesiealbum ohne große Abwechslung. Bleibe glücklich, bleibe froh, wie der Mops im Haferstroh. Verse schmiedet Plate mit der Sprechstange. So reimt er munter "normal" auf "Wasserfall", "los" auf "feuerrot", "zurück" auf "verrückt" und wenn gar nichts mehr geht eben "Baby" auf "Baby". "Das ist kein Zustand / das ist'n Umstand / ich mach Handstand / an der Wand / obwohl ich's gar nicht kann."

Die wenigen temporeichen Stücke auf "Schüchtern Ist Mein Glück" finden ihre Basis im Deutschpop der 1980er. "Wir Beide Sind Musik" baut sich Stück für Stück bis zum Mitklatsch-Refrain auf. Wie einst Herwig Mitteregger will Plate immer mehr. Noch tiefer in die Achtziger führt "Elektrisch" mit unterkühlter Elektrosnare und kurzer französischer Einleitung. Sternraketen schießen auf den alten Trans-X-Gassenhauer "Living On Video". Nicht sein schlechtester Moment, auch wenn Peter kurzzeitig nochmal das holprige Sprechgesangsrumpelstilzchen um die Ecke schauen lässt.

Fazit: Bei seinem ersten eigenen Gehversuch hält sich Peter Plate noch fest am Treppengeländer. Bloß nicht stolpern. Mut zum Experiment oder frische Inspiration: Fehlanzeige. Plate will ein wenig wie Rio Reiser sein, bleibt aber so bieder und ungelenk wie Heinz Rudolf Kunze. Zwar ohne Schnorres, dafür mit schlechteren Texten.

Trackliste

  1. 1. Wir Beide Sind Musik
  2. 2. Kapitän
  3. 3. Blauer Sonntag
  4. 4. Elektrisch
  5. 5. Schöner War's Mit Dir
  6. 6. Ausgang Leider Unbekannt
  7. 7. Gefallen In Love
  8. 8. Schüchtern Ist Mein Glück
  9. 9. Sturm
  10. 10. Die Nacht Dehnt Sich Aus
  11. 11. Bist Du OK?
  12. 12. Ich Steh Noch

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